Montag, September 17, 2007

Mixtape auf CD Extra 09/2007


The History Of Punk On The Lower East Side 1950s - 1970s (16 Tracks, 63:32)

01. "The History of Punk on the Lower East Side" - Jeffrey Lewis (, 2005): 9:40
02. "When That Great Ship Went Down" - William And Versey Smith (American Primitive, Vol. 1 - Raw Pre-War Gospel 1926 - 1936, 1997): 2:55
03. "Euphoria" - Holy Modal Rounders (Holy Modal Rounders, 1964): 1:34
04. "New Amphetamine Shriek" - The Fugs (Virgin Fugs, 1966): 2:27
05. "Nothing" - The Fugs (First Album, 1965): 4:18
06. "White Cat Heat" - The Godz (Contact High With The Gods, 1966): 4:22
07. "I'm Waiting for the Man" - The Velvet Underground & Nico (The Velvet Underground & Nico, 1967): 4:39
08. "Mother Where Is My Father" - David Peel & The Lower East Side (And The Rest Is History: The Elektra Recordings, 2004): 3:06
09. "Oscillations" - Silver Apples (Silver Apples/Contact, 1968): 2:49
10. "1969" - The Stooges (The Stooges, 1969): 4:07
11. "Lower East Side" - David Peel & The Lower East Side (And The Rest Is History: The Elektra Recordings, 2004): 3:14
12. "I Want To Kill You" - David Peel & The Lower East Side (And The Rest Is History: The Elektra Recordings, 2004): 4:18
13. "Psychotic Reaction" - Count Five (Nuggets: Original Artyfacts From the First Psychedelic Era, 1965-1968, 1998): 3:08
14. "Gloria" - Patti Smith (Horses, 1975): 5:57
15. "Personality Crisis" - New York Dolls (Lipstick Killers, 1981): 4:13
16. "Blank Generation" - Richard Hell & The Voidoids (Blank Generation, 1977): 2:45

Zur Entstehung der vorliegenden CD The History Of Punk On The Lower East Side 1950s - 1970s gibt es mehrere Gründe:
* in der Monats-Mix-Tape-CD ging es auch um Punk und so dachte ich mir, ich könnte ja mal etwas wissensvermittelnd unterwegs sein,
* Jeffrey Lewis hat auf phänomenale Weise bei Youtube in einem knapp 10-minütigen Clip die komplette Geschichte des Punk zwischen 1950 und 70 auf der Lower East Side zusammengefasst und musikalisch neuinterpretiert (das ist Titel 1 auf dieser CD),
* und ich war vom Ideen- und Einflussreichtum des frühen Punk (-Rock?) so beeindruckt, dass ich mir gleich einige CDs besorgt habe und das Beste daraus in Anlehnung an Lewis präsentiere.

Noch ein paar Worte zu Lewis, unter Umständen kennt den ja schon jemand. Er illustriert Musik-Clips, zeichnet Comics und macht Musik. Lewis dürfte kaum älter als ich sein, hat fehlgestellte Zähne aber ist ein künstlerisches Genie, was die Sache mit den Zähnen entschuldigt. Und, ja, ich glaube, er holt wirklich kein einziges Mal Luft bei seiner Perfomance, die sich auch noch reimt!

2.Keine Ahnung von welcher Schellackplatte diese rauschige Aufnahme von When That Great Ship Went Down stammt, aber schon wegen Versey Smiths katzenähnlichem Gequiecke ist es keine alltägliche (aber zugegebenermaßen auch nicht besonders schöne) Aufnahme. Geht ja aber auch nur knapp drei Minuten.

"on a monday morning just about 9 o 'clock
the great ship titanic began to reel and rock
husbands and wives, little children lost their lives
wasn't it sad, wasn't it sad, when that great ship went down?"

3.Weitaus gefälliger ist doch da Euphoria von den Holy Modal Rounders. Ich hätte eher an Western Classics gedacht, als an frühe Punk-Musik. Ein geschichtliches Dokument für die Geschlechterforschung?

"mom's out there switchin in the kitchen
and dad's in the living room, fussin' and a-bitchin'
i'm out here, kickin' the gong for euphoria
euphoria - when your mind starts reelin' and a-walkin'
inside voices start squealin and a-squawkin'
floatin around on a belladonna cloud.
singin' euphoria"

4.Oh ja, jetzt etwas Großartiges. The Fugs waren ja bereits auf der CD vom August dabei. New Amphetamine Shriek erzählt, wie unschwer zu erraten, von Amphetaminen (das hat nichts mit Vitaminen zu tun, daher bei Unwissenheit einfach mal googlen...) und löst offenbar die Zunge und macht - wie zu hören - großen Spaß. Nebenbei befreien sie einen von den üblichen Zwängen des Alltags:

"i don't have a bad time, i don't need to cum
for I have become an amphetamine bum
if you don't like sleeping, and don't want to screw
then you should take lots of amphetamine too"

5.Diesmal gibt es für alle Nihilisten Nothing in voller Länge und mit mehrpsrachigen Einspielungen zum Erwerb von Fremdsprachenkompetenzen. Denn auch Nihilisten können sich einer globalisierten Welt nicht entziehen...

"monday nothing, tuesday nothing
wednesday and thursday nothing
friday for a change a little more nothing
saturday once more nothing
fucking nothing, sucking nothing
flesh and sex, nothing
church and times square, a whole lot of nothing
nothing, nothing, nothing"

6.The Godz' White Cat Heat ist wieder ein etwas borstiger Titel, der für das an melodiöse Musik gewöhnte Gehör wohl eher eigenartig bis abschreckend klingen dürfte. Es ist nicht direkt unmusikalisch aber doch irgendwie unkämmbar eigen. Der Refrain ist hingegen sehr eingängig und textlich wenig anspruchsvoll:

"mrrrrr---ow meow"

7.Fast schon mainstreamig nimmt sich da Velvet Undergrounds I'm Waiting For The Man aus. Die Warholsche Gruppe war allerdings alles andere als glatt; Durch ihre gesellschaftskritischen Themen, die über die Musik einem bis dato nicht erreichtem Publikum zugetragen wurde, machten sie auf sich aufmerksam. So besingen sie im aktuellen Stück die Prostitution, in anderen Songs widmen sie sich Drogen oder aber Sadomasochismus. Das war für das damalige Amerika schon recht außergewöhnlich, heute juckt das natürlich niemanden mehr.

"i'm waiting for the man,
twenty-six dollars in my hand
up to lexington 125,
feel sick and dirty more dead than alive
i'm waiting for the man"

8.Bei David Peel & The Lower East Side finden sich die Stilelemente der Musik der 60er, 70er und 80er: das, was mal Punk werden sollte, eine Art Reggae und Pop-Musik. Gemischt wird das noch mit einer gehörigen Portion Kriegsverweigerung und den obligatorischen Zeilen über Marihuana, LSD und dem Rest, der Palette natürlicher und synthetischer Drogen. Mother, Where Is My Father ist nicht ganz so toll wie seine späteren Songs, aber es fasziniert dennoch, wie David Peel es managed wie ein farbiger Sänger zu klingen (auch textlich):

"mother, where is my father?
where is my brother?
they're at war, they're at war.
you made them join the dirty U.S. army
you told them all a filthy white lie
you gave them all the bullshit and baloney
and now my brother and my father are gonna have to die"

9.Wie nennt man das hier? Avantgarde-Elektronica? Oscillations von Silver Apples ist selbst heute noch modern. Mich persönlich verzückt der Titel immer wieder aufs Neue. Der Text allerdings, hmm, nun ja, den würde man vielleicht auch in jedem Physik-Lehrbuch so wiederfinden:

"oscillations, oscillations
electronic evocations
of sound's reality
spinning magnetic fluctuations
wave on wave configuration
that dance between the poles of sound
and bind my world to soul"

10.Iggy Pop fasziniert mich und es ist Wasser auf meine Mühle, dass er auch für den Punk prägend war und ich mich nun neben subtilen Körperlichkeiten auch von seiner Musik begeistern lassen kann. Mit 1969 zeichnen er und die Stooges ein ziemlich genaues Bild der Zeit, die wohl in der künstlerischen Eigenwahrnehmung nicht allzu aufregend gewesen sein muss:

"well 1969 okay, all across the USA
another year for me and you
another year with nothing to do
another year for me and you
another year with nothing to do"

11.Noch ein Mal David Peel & The Lower East Side und dem namensgebenden Titel Lower East Side. Im Grunde ist es das selbe Prinzip, das er bei seinen Songs immer wieder verwendet: Punk, Reggae und Pop/Rock. Der Text dürfte der Masse der Wohlstands-Amerikaner der 70er Jahre auch eher widerstrebt haben (obgleich diese Gesellschaftsschicht die Songs eh nie gehört hat), stellt er doch eine Gleichgültigkeit dar, die nicht konform mit dem Self-made-Man-Ideal geht:

"we are from the lower east side
we don't give a damn if we live or die
we are from the lower east side
we don't give a damn if we live or die"


12.So richtig provokant wird Peel mit I Want To Kill You. Eigentlich wollte Peel den Titel selbst zurückhalten, aber sein Produzent meinte, dieser Titel sei so bemerkenswert, er müsse auf das Album mit drauf. Und so kam es, dass wir heute Peel hören wie er in ausgelassenster Stimmung singt:

"we call the people of the future generation
you call the people in a world of aggregation
you call the people in a life of demonstration
we gotta change the world before annihilation
gonna get a rifle and i'm gonna get a gun
i am out to kill you and i'll have a little fun
i am out to murder you, i'm going to attack
i'm going kill you
your the monkey on my back
i wanna kill you
kill, kill, kill
i wanna kill you
kill, kill, kill"

13.Count Fives Psychotic Reaction erzählt von unerwiderter Liebe (welches Thema ist zeitloser?) und den Folgen. Nehmen wir es hin, als Stück mit Garage-Rock Einflüssen:

"i feel depressed, i feel so bad
'cause you're the best girl that i've ever had
i can't get your love, i can't get affection
o little girl, psychotic reaction"

14.Die mir seit Gloria heilige Patti Smith begibt sich auf ganz schwieriges Gelände: kritische Religionsbezüge, uh,uh... Davon aber mal abgesehen ist es ein toller Song und die alte Schachtel geht richtig ab.

"jesus died for somebody's sins but not mine
gloria, gloria" (immer wichtig: sich in objektiver Distanz positionieren...)

15.The New York Dolls singen Personality Crisis. Ob diese nun ein Resultat von zerissener Kleidung, schweren Stiefeln und bunten Haaren ist, die sie als erste Band auf der Bühne trugen, bleibt unklar. Der Text ist aber dennoch gelungen:

"you're a prima ballerina on a springtime afternoon
change on into a wolfman howlin at the moon
all about that personality crisis you got it while it was hot
but now frustration and heartache is what you got"


16.Richard Hell & The Voidoids steuern die Hymne jener drei Jahrzehnte bei: Blank Generation. Als gelernter Werbemensch wusste Hell natürlich worauf es ankommt und so passiert dann halt nochmals 10 Jahre später, was fast allen Stilrichtungen und Subkulturen blüht: der Aufgang in den Mainstream und das allmähliche Verwässern von Idealen, Musik und Outfit.

"i was screamin get me out of here before i was
even born, it's such a gamble when you get a face
it's fascinating to observe what the mirror does
but when i die it's for the wall that i set a place
i belong to the blank generation but
i can take it or leave it each time
i belong to the _______ generation but
i can take it or leave it each time"

So, ich hoffe, Ihr hattet genauso viel Spaß beim Hören, wie ich beim Raussuchen der Titel. Falls mich jemand aufgrund meiner hervorragenden didaktischen Fähigkeiten an allgemeinbildenden Schulen für die Fachrichtung Populärmusik einstellen möchte, dann her mit den Angeboten ;-)

Vorschau für nächsten Monat: Es wird gewaltig, pompös, emotional, stürmisch, tendenziell eher düster, weltmusikalisch gesprochen nördlicher und kühler - wie es sich eben für den Herbst gehört (hehe, im wahrsten Sinne des Wortes). Mit diesem Wortspiel entlasse ich euch - bis bald!

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