Dienstag, Juni 21, 2011

Zest, die Zweite

Nach etlichen Jahren des mehr oder weniger regelmäßigen Essens im Zest in Leipzig, schreibe ich heute mal wieder eine kleine Lobeshymne Kritik.


Die vegane Szene in LE scheint momentan zu boomen: Neben dem Zest gibt es veganes inzwischen auch für den kleineren Hunger bzw. für den täglichen Besuch. Da wäre die Vleischerei in Plagwitz (Felsenkeller), in der man außerordentlich rustikal und deftig isst. Unbedingt empfohlen sei der Saft, den es dort von der Kelterei Bunge gibt (trinke ich schon seit frühsten Jugendtagen [das will was heißen, die frühste Jugend liegt schon etwas zurück!]). Dann haben wir das Deli, auf der Wolfgang-Heinze-Straße, also nicht sooo weit weg vom Zest. Ich will demnächst mal hin, daher kann ich zur Küche nicht viel sagen; Karte (übrigens tagesaktuell auf dem tumblr-blog) liest sich ähnlich wie bei der Vleischerei.

Angesichts dieser weiteren Angebote (habe ich weitere vegane Futterstellen vergessen?) und angesichts des relativ kurzen Bestehens des Lembas (unweit GWZ/ Albertina/ Beethovenstr.) scheint das (fast streng vegane) Konzept des Zests gut zu funktionieren.

Ambiente
Schrieb ich in meiner ersten Kritik zum Zest, "es spielt in seiner eigenen Klasse", so kann ich das nur bekräftigen. Der Gastraum ist noch immer im dezenten holzbraun gehalten, die ziemlich coolen Spots von der Decke sind noch immer da und, ja, selbst das Astloch von meinem ersten Besuch ist immer noch in der Tischplatte. Was mir zunehmend auffällt, ist so eine schleichende Muttifizierung mit dazugehörigen antiautoritär (oftmals gleichbedeutend mit gar nicht) erzogenen Kindern, die wiederum dafür sorgen, dass man als Tischnachbar auch noch etwas von deren Essen hat. Aber ich schweife ab. Das Publikum ist halt Arno-Wolfgang-Karli-Werk II-like, angenehme Zeitgenossen, oft sogar ganz hübsch zu betrachten - gilt im übrigen auch für die Kellner (die -Innen kann ich nicht bewerten).

Speisen
Das Zest wäre nicht Leipzigs beliebtestes veganes Restaurant, gäbe es nicht ein saisonal wechselndes Angebot an Gerichten, die aber auch immer immer immer überraschend sind (und wir reden hier von Mahlzeiten, mit denen sich 90% der in konventionellen Restaurants als vegan/ vegetarisch angepriesenen Speisen nicht messen können). Das beginnt schon mit Brennnesselsuppe mit Radieschen-Pickles oder den gewagten Salaten (anstelle eines Dressings ein EIS mit Senf-Meerrettich-Geschmack, das muss erstmal jemand nachmachen). Die Suppe - ein Traum, würzig mild und dazu die eingelegten Radieschenscheiben, da glaubt man sich geschmackstechnisch im Veganerhimmel.

An der Front der Hauptgerichte dann Vermicelloni (Pasta) mit gebratenem grünem Spargel und Löwenzahnpesto. Das sah auf dem Teller zunächst übersichtlich aus, macht aber beim Essen dann doch ordentlich satt. Der Geschmack hier so ganz sanft nussig und leicht bitter, darauf noch gemahlene Cashews anstelle des Parmesans. Optisch und sensorisch beeindruckend die Roulade aus Polenta mit einer Kruste (ja, krustig, nicht matschig) aus schwarzem Zwiebelsamen und gedünstetem Kohlrabi. Das Ganze mit einer sehr würzigen Sauce aus Rosenpaprika und Muskatblüte, würde ich schätzen, auf einem Teller angeordnet. Ebenfalls bestechend war die Blätterteigschatulle, die sich den Platz mit hochwertigen Zutaten, wie ganzen Kräuterseitlingen (ganz leicht gesäuert - genial!) und perfekt getroffenen Bratpeperoni teilte. Im Blätterteig ein wirklich gutes Kartoffelpüree. Weiters war zu bestaunen der Evergreen mit dem Namen Rice & Spice; das ist ein fester Bestandteil der Karte, bei dem man sich zu einer Portion Basmatireis jeweils zwei (saisonal wechselnde) Saucen heraussuchen kann. Ich kann für die rauchige Babymais-Tofubratlingsauce und den beinahe blumigen Ingwer(-Rosenwasser?, schien mir so)-Manioktopf sprechen.

Im veganen Desserthimmel (so viel Himmel heute..) gab es den völlig zurecht dauerhaft verankerten warmen Fudge-Brownie, der eine kleine aber feine vegane Cremeschicht besitzt und nach einem (Ironie an) ohnehin kalorienreduzierten Essen (Ironie aus) genau das Richtige ist. Aber da kann man nicht widerstehen, genauso wenig wie dem kleinen Küchlein mit Minzeis, welches ganz offensichtlich selbst gemacht war, denn so viel Minze bekommt man in keinem Eis der Welt zu kaufen - herrlich!

Fazit
Am erstaunlichsten finde ich das durchgängig hohe kulinarische Niveau über die Jahre. Ich esse gerne und oft außerhalb, aber ich kenne wirklich nur einen vietnamesischen Imbiss, der über die Jahre die gleiche Konstanz in Hinblick auf Gerichte und deren Zubereitung (wenn auch in einer ganz anderen Liga) wie das Zest bietet.
Alle anderen Restaurants, Imbisse und Futterstellen haben entweder geschlossen oder sich ziemlich verändert.

Oft lese ich, das Zest sei so teuer. Das kann man so nicht sagen. Zunächst haben hochwertige Lebensmittel ihren Einkaufspreis und ich kann mich nicht erinnern, im Zest schon jemals eine Kaisergemüsemischung (ein Trauma, das ich bis heute noch nicht bewältigt habe) gesehen zu haben. Dort gibt es ganze Gemüse und keine (teil-) vorgefertigten Zutaten in den Gerichten. Das allein macht Arbeit und kostet Strom bzw. Arbeitsstunden. Hinzu kommt die gewagte, inspirierende Zubereitung und Anordnung der Gerichte auf dem Teller. Ich würde auch gern preiswerter Essen, aber 11-16 Euro erscheinen mir für ein Hauptgericht dieser Qualität durchaus gerechtfertigt. Wir in Deutschland vergessen gern, dass Essen eine Investition in den eigenen Körper und fürs eigene Ich ist. Und ich zahle gern, wenn ich weiß, dass ich kein totes Tier quersubventioniere.

Außerdem macht es einem die attraktive Bedienung wirklich leicht, das Geld los zu werden. Und von daher ist das ja auch so eine Art, ehm, Qualitätssicherung: Wenn der Mitarbeiter aufgrund der Einnahmen gut bezahlt werden kann, kann er sich weiterhin gesund erhalten und sieht beim nächsten Besuch immer noch genauso verlockend aus. Und dafür geben wir doch gern ein paar Euro :-)

Keine Kommentare: