Mittwoch, Mai 02, 2007

Musik aus aller Welt

So, jetzt endlich mal wieder ein paar Besprechungen in Sachen "Weltmusik". Eigentlich widerstrebt es mir, dieses Label zu verwenden, aber ein passender Ersatz ist mir noch nicht untergekommen. "International" finde ich gleichermaßen schwach. Damit halte ich mich jetzt nicht auf. Vamos!

Aterciopelados (die ersten 10 Male immer falsch gesprochen, is aber auch gemein) habe ich mit ihrem Album "Oye" kennengelernt. Super gekickt hat der Titel "Complemento", passte damals vor meiner Brüssel-Reise gut zu meiner Stimmung. Ich mag es, wie sich die Frontsängerin stimmlich in den Song reinhängt und man mit dem Rhythmus unweigerlich mitschwingt. Im Text geht es um etwas menschliches, nämlich den persönlichen Gegensatz (el complemento). Die Platte ist wirklich oft in Rotation, zuhause und auf dem Stick, aber manche Titel begeistern einfach mal nicht nachhaltig. Entweder gelingt es halt, dass Songs auf subtile Art politisch sind ("Don Dinero") oder eben nicht ("Oye Mujer"). Durchgängig gut kamen aber alle die Songs, wo die Band versucht, gute Musik zu machen (so "Cruz de Sal"). Fazit: Mit den starken Titel einer meiner Evergreens (mit den schwächeren immerhin gut genug als Opener für meinen "La Mujer en América Latina"-Vortrag.)


Cello Trio war mit "Tango Brasileiro" die Hälfte meiner kostenlosen Einstiegs-MP3-Dateien. Habe ich bis heute nicht bereut. Obgleich ich die Platte selten durchhöre. Immer wieder verzückt bin ich bei den Streichern in "Confidencias" und "Julieta" (ja, hmm, mutet beides nicht sonderlich brasilianisch an, stimmt schon). Aber ich schätze an dem Album die großelterliche Kompatibilität und Tauglichkeit für beinahe alle erdenklichen Anlässe. Musikalisch: Tangorhythmen, völlig instrumental, kein Gesang, sehr ruhig, die letzten Titel ("Trapetie" und "Petits Enfants Et Animaux") schon eher nervig experimentell. Fazit: Lohnende Anschaffung, wenn auch eher nur partiell.


Choying Drolma And Steve Tibbetts und ihr Album "Selwa" sind schon recht exotisch in meiner Sammlung. Ich muss gestehen, ich wurde durch das Cover auf sie aufmerksam. Im Grunde haben hier ein Musikexperte und eine nepalesische Nonne zusammen Musik aufgenommen. Die Nonne singt, der Musikexperte (westlicher Prägung) steuert die instrumentale Untermalung bei, möglicherweise auch das Abmixen. Das Ganze klingt schon sehr meditativ, man hat ein paar Trommeln und das typische Klingeln und Bimmeln, wie man es vom Soundtrack von "Himalaya" (Bruno Coulais) kennt, im Ohr. Mir persönlich gefällt das ruhige, urtümliche Moment auf der CD sehr gut. Eher etwas zum alleine hören, wenn dann aber am ehesten "Palden Rangjung" (ist fast schon clubig, vielleicht sollte jemand das mal geschickt remixen). Fazit: Träumerische Scheibe für die kontemplativen Momente bei kühler Witterung (im Sommer wirkt die Scheibe sicher nicht so).


Correo Aereo ist auch eine meiner eMusic-Entdeckungen. Das Album "Lo Que Me Dijo El Viento" ist recht ursprünglich, volkstümlich, klassisch. Die Gruppe (vermutlich geleitet von der Dame auf dem Cover) spielt Volkslieder aus dem "Andenraum" (ha, herrlich, wie unpräzise und europäisch ich das wieder schrieb). Abwechslung ist echt die Stärke dieses Albums. "Pena Huasteca" ist schwer, melancholisch, bei "Golpes Tocuyanos" wird der Takt im Titel gewechselt und ist insgesamt schneller und "Al Son De La Tambora" ginge ja locker auch als Begleitmusik für die Parade des Karnevals der Kulturen in Berlin durch. Nein, wirklich: Die CD ist fesselnd und jeder Titel hat andere Nuancen. Fazit: Neue Interpretationen volkstümlicher Lieder, durchaus mit den Hörerwartungen des durchschnittlichen (West-)Europäers kompatibel. Spanischsprecher könnten auch Spaß an den Texten finden.


Css (Cansei De Ser Sexy) haben ja richtig eingeschlagen. Das Phänomen ging bis vorige Woche an mir total vorbei, dann bin ich auf einer brasilianischen Seite auf ihr Album "Cansei De Ser Sexy" aufmerksam geworden. Die Musik, huh, nicht neu aber mich begeistert die Kraft der einzelnen Titel. Die Texte, immer provokant ("Art Bitch"), der Klang lässt sich vielleicht gut als Mix aus elektronischen Elementen (die teilweise an Klangschnippsel vom C46 erinnern) und hektischen, gehetzten Rhythmen die aus jedem Club stammen könnten, beschreiben. Die Songs erzählen - so weit ich das bisher sah - von unserer Zeit und allem, was einhergeht mit der Cultura de maçãs einhergeht. Okay, "Bezzi" ist auch ne angenehme, weniger offensichtlich politische Pop-New-Wave-Was-Auch-Immer-Nummer. Fazit: Ein paar Paulistas, die wissen, wie man es krachen lässt. (Und der Zug, bei ihrem ersten Album eine CD-R für das private Kopieren beizulegen,schmeichelt mir ungeheuer.)


Dadi haben mit dem Album "Dadi" einen Stein bei mir im Brett. Wann immer ich die CD höre, so möchte ich dringend Caipirinha, Cashew, Açaí, Serigüela, Buriti, Bacuri, Patavá und Sapiri trinken. Macht man besser nicht, sagt Luis Fernando Verissimo. Ist nicht schlimm, denn bei so viel Alkohol entgeht einem auch diese lockere, leichte Mischung aus auf brasilianisch vorgetragenen Popsongs. Die Trommeln sind toll und ich ertappe mich mehrfach dabei, mich ausziehen zu wollen, schöne Menschen am Strand betrachten und küssen zu wollen. Ehm, Brasilianisch hat eine eigenartige Wirkung auf mich... Die dafür (und natürlich auch für alle anderen wärmeren nordeuropäischen Momente) geeignetsten Titel sind meines Erachtens "2 Perdidos" und "No Coração da Escuridão". Fazit: Eine kleine, unkomplizierte CD für Leute mit einer Affinität für den Klang des Brasilianischen.



El Hijo ist ein Ein-Mann-Projekt aus Spanien (so vermute ich). Sein Album "El Piel Del Oso" ist genau so: überraschend. Der Mann singt auf Spanisch, lässt sich mal von Piano oder Gitarre begleiten und am Ende sitzt man vor der Anlage und denkt "Wow". Die Songs breiten sich langsam aus und mit wenig Zeit und viel Hintergrundgeräuschen bleibt einem die Welt von El Hijo garantiert verschlossen. "Esa Musica Sombria" springt mal eben von ruhig zu schnell, fast schon wie ein Marsch, dazwischen immer wieder zurück in den langsamen Takt vom Anfang, sporadisch Schlagzeug, Piano, Geiger und Gesang. Textlich geht das Ganze auch in Richtung Momentaufnahme unserer Gesellschaft ("El Senor de las Bestias") und um die Dinge, die einen oder anderen selbst schon mal passiert sind (unglücklich verliebt, "Un Ayer"). Fazit: Tolle Musik, abseits des schnöden Rock En Español oder des Iglesias-Clans.


Hector Buitrago widmet sich mit "Conector" einer Art postmodernen Interpretation der Mythen Lateinamerikas, vermischt mit Beobachtungen aus der heutigen Zeit. Klanglich lässt sich das als einer Art kontemporäre, akustische Neuinterpretation des kulturellen ("lateinamerikanischen") Erbes Buitragos beschreiben. Spannung, Rythmen, Trommeln, sich wiederholende Klangmuster und Gesang (übrigens auch auf brasilianisch bei "Fruto Real" -> Fruto Reauuuu. Super!). Mich begeistert wie weit sich Buitrago vom Stil der "Aterciopelados" (dessen Mitglied er lange Zeit war) entfernt hat. Besonders markant sind "Troncoroca Vientomar", "Musica Somos" und besagtes "Fruto Real". Fazit: Für aufgeschlossene Hörer eine der modernsten und auch eigenwillistgen - und deshalb auch tolle - Platten aus dem Dunstkreis der "Latin" Music.



Les Luthiers, ja, wie sag ich es. "Sonamos Pese A Todo" ,eine CD, die sich mit einem andauernden Augenzwinkern anzuhören ist. Im Opener "Introducción" erfahren wir, dass es auf dieser CD um die Stücke von Maestro Piero geht, die von Les Luthiers durch den Kakao gezogen vorgetragen werden. Beim ersten Stück "El Alegre Cazador Que Vuelve A Su Casa Con Un Fuerte Dolor Aca" hören wir, wie zwei Musiker eine rauchen und sich unterhalten ("pscht, weißt du schon...Vorsicht, pass auf!) und einen Notenständer umwerfen während ein anderer das Stück spielt auf dass sie am Ende euphorisch einsteigen und gehetzt zu Ende bringen. Die Themen sind ganz auf Spaß ausgelegt "Cantata De La Planificacion Familiar", "El Polen Ya Se Esparce Por El Aire" und "Teorema De Thales" sind dabei die lustigsten Songs. Fazit: So hören sich aktuelle Interpretationen aus dem Genre "Klassik" an, man könnte auch sagen die Comedian Harmonists Lateinamerikas...




Los Bunkers habe ich mit "Vida De Perros" kennengelernt. Die - darf ich sagen boy band? - rockt auf Spanisch. Des Leadsängers sexy Stimme und die kraftvollen Gitarren machen diese Powerpop-CD aus. Die Songs sind nicht alle genial, die Durchörbarkeit leidet an mangelnder Abwechslung aber "Ven Aquí", "Nada Más De Mi" und "Te Vistes Y Te Vas" sind neben dem Highlight " Llueve Sobre La Ciudad" die besten Songs für mich. Gut: Auch als Spanischanfänger konnte ich hier schon mitsingen und versuchen zu übersetzen. Es geht um gebrochene Herzen, Liebesschmerz etc. Nichts neues, aber auch nichts, was man nicht noch einmal mehr besingen könnte. Fazit: "Vida De Perros" hilft, die schlimmen Momente des Hundelebens weniger schlimm, die schönen, noch schöner zu machen.


CDs mit Bildern sinnlich-verträumter Frauen machen mich immer skeptisch. Sara Valenzuela sieht offensichtlich gut aus (oder hatte fähige PhotoShop-Freaks in der PR-Abteilung) und versteht etwas von Musik. Ihr Metier hat "Lado Este" im Club-Sound gefunden. Außer "Lado Este", dem ersten Titel auf dem Album und "Para Que" war das Album aber eher eine Enttäuschung. Hier fehlt einfach Abwechslung, man kann so etwas vielleicht in einem Klub spielen, wo eh keiner hinhört, aber für eine CD einfach zu flach. Fazit: Sexy Musik, deren Produzenten es leider ein Wenig an Kreativität mangelt.



Takashi Hirayasu & Bob Brozman stellen unter dem Namen "Jin Jin / Firefly" uns ihr gemeinsames Machwerk vor. Zu hören gibt es hier die gemeinsame Session zweier Gitarristen, eines Amerikaners und eines Japaners. Das Ergebnis ist wirklich toll. Flotte, ganz unkonventionelle Titel, gespielt mit Gitarre und Sanshin, welche Hirayasu dann auf japanisch begleitet. Eine interkulturelle Begegnung, die gut klingt, fröhlich ist und Spaß macht, selbst wenn das Japanisch nicht mehr so frisch ist. Herausragend auf dem Album für mich: "Akata Sun Dunchi", "BeBe Nu Kusakaiga" und "Jin Jin". Fazit: Könnte man allen asiatischen (Schnell-)Restaurants ein Exemplar schenken. Man kann die interkulturelle Begegnung aber auch ganz schnöde im deutschen Wohnzimmer stattfinden lassen und sich ob der Töne freuen.

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