Samstag, Dezember 20, 2008

Die schönsten Franzosen

kommen nicht zwangsläufig aus Berlin oder Paris. Non, sie kommen aus Bitburg (Oui, genau, da wo auch die Bier herkommt, die so schön prickelte, oder war das ein anderes?). Im besten Falle heißen die schönsten Franzosen auch noch Jean-Marc Barr und sehen umwerfend aus.

Liebe hörere Gewalt, mach, dass ich mit 45 oder mehr Jahren auch so verdammt attraktiv aussehe und lass eine Zeitdimensionenverschiebung zu, so dass ich ihn treffen kann. Ich gebe zu, der appetitlichste Schauspieler in Meeresfrüchte (Crustacés et coquillages) war auch Barr. Und heute, mache ich es wie Rodó, besinne mich und lache, denn am Abend läuft auf Timm ein Film mit Barr in der Hauptrolle.

Das wird ein Abend. Die Roche würde jetzt schreiben, sie wird feucht oder so. Hab ich nicht nötig! Ich ziehe mich zurück und genieße im Stillen. Um den Umstand entsprechend zu würdigen, könnte man glatt ein Bitburger Singha-Bier als Begleitung auserwählen.

Freitag, Dezember 19, 2008

Gehsch Domas

Er: Gesch Domas!

Mutti: Ja, Meiner, bis Morchen.

Unter fremdsprachlichen Gesichtspunkten möglicherweise interessant (mit mildem Lächeln). Hält man sich vor Augen, dass die Schulkinder hier so sprechen, stimmt es eher nachdenklich. Zudem hätte meine Mutter mich zweifelnd angeblickt und sich eine umformulierte Schilderung meiner Pläne für den Abend erbeten. Was aber letztlich nichts an ihrer Absicht, mit mir Deutsch zu üben, geändert hätte.

Mittwoch, Dezember 17, 2008

Das Spektrum reichte von harmlos bis befremdlich

Harmlos: Eine betrunkene Russin bittet mich, ihr Brot abzuschneiden. Erklärung (bitte in schöner akzentualer Färbung vorstellen): "Ich bin zu betrunken, kannst du mir eine Scheibe von dem Brot abschneiden?". Natürlich. Während der Kampf mit dem Brot seinen Lauf nimmt, fällt die Russin mir um den Hals und begutachtet meine Piercings. Ging auch gut aus der Perspektive, sie war ja direkt daneben. Jedenfalls haut sie dabei irgend so einen Dip vom Tisch, der sich dann hübsch auf Boden und Kleidung anderer verteilt. Brot mit den Worten "Vielleicht auch lieber das nächste Glas Alkohol durch noch eine Scheibe Brot substitutieren" und vorwurfsvollem Blick überreicht. Danach mich wieder dem bestriechendsten Gast zu gewendet.

Befremdlich: Gespräche mit Leuten führen, deren Gesicht man kennt. Die Namen sind Fische in einem großen dunklen Teich und tauchen immer nur ganz kurz auf, dann ein Geistesblitz aber nicht lang genug, um den Namen zu fassen. Irgendwie doof, daher alle geduzt und gehofft, dass Getränke die Erinnerung beleben. Halfen aber nicht. Namen sind Schall und Rauch, sag es ja immer wieder.

Richtig gruselig: Menschen freundlich ansprechen, die dich im Gegenzug mit folgendem Programm "verwöhnen".
Erste Option: Mann erschrickt furchtbar als du ihn ansprichst und scheint sich zunächst gar nicht mehr zu erholen. Daher auf die Frage "Na, wie gehts?" heftiges Räuspern, eine Körpersprache, die auf Atemnot schließen lässt. Nach kurzer Erholungsphase und mehr Glühwein gings etwas lockerer. Immerhin noch kein hoffnungsloser Fall.

Zweite Option: Du lächelst freundlich an und dein Gegenüber guckt total perplex. Kann passieren, denkst du dir und gehst hin und sagst "Hallo". Mann wird gar nicht mehr wieder, bringt abgesehen von äußerst verspannten Antworten in Form eines hervorgepressent "Ja" und "Nein" nichts weiter heraus. Bei jeder Frage guckt er ganz leidend, du denkst, er lebt gleich ab oder was ähnlich furchtbares. Interessante Gespräche verlaufen anders - die sehr einseitige Kommunikation daher recht bald beendet. Hatte Mitleid und will ja niemanden absichtlich leiden lassen.

Stark verunsichert bin nun ich. Sehe ich gefährlich aus? Eilt mir ein schlimmer Ruf voraus, von dem ich nichts weiß? War ja noch nicht mal einer meiner Tutoriumsstudenten dabei. Da hätt ichs ja verstanden, wenn die Angst vor mir verspüren. Aber auch dort bin ich nie wirklich böse, frustriert hingegen manchmal schon!

Dienstag, Dezember 16, 2008

Ein Brauch nach meinem Geschmack



Das ist ein Krampus aus Schokolade. Manche Menschen haben einfach den richtigen Riecher in Bezug auf Dinge, die mir gefallen würden. Ein Krampus ist aber alles andere als ein freundlicher Zeitgenosse. Okay, okay, dieser schon, der ist aus Schokolade - von dem geht keine Gefahr aus.

Aber: der waschechte Krampus bestraft böse Kinder. Ich meine, nicht dass ich mir diese Einstellung aus dem Herzen sprechen würde, aber so grundsätzlich hat der Krampus da keine schlechte Idee gehabt. Wie man frau mir berichtete, kommt aber der Nikolaus einen Tag später und verteilt nette Gaben, schokoladigen Seelenbalsam, wenn man das so sagen möchte.

Ergo: Die jungen Österreicher werden zu erst von einem älteren, drahtigen, finster dreinblickenden Männlein aus den Bergen bestraft. Ist der damit durch, kommt der freundliche (aber nicht gleichermaßen verruchte und damit nicht annähernd so spannende) Nikolaus und gibt Streicheleinheiten und macht, dass es wieder gut wird.

Ich finde, das ist ein klasse Konzept und lässt sich auch auf so viele andere Lebensbereiche übertragen (erst kleine Strafen, danach zeigen, wie lieb man sich hat und so..). Dabei hielt ich die Österreicher immer für eher konservativ und wenig verspielt. Aber das, ja das könnte zum Exportschlager werden. Muss nur entsprechend vermarktet werden. Stellen Sie sich vor: Berlin hat seine Folsom Street Fair, Insbruck und Kitzbühel könnte auch ihre eigene haben.

Montag, Dezember 15, 2008

Mixtape auf CD 12/2008




Grey Gardens (25 Titel, 80:40 Min.)

Titelliste:

01. "Grey Gardens" - Rufus Wainwright | Poses | 2001 (3:08)
02. "Floating World" - The Names | Swimming + Singles | 1991 (2:51)
03. "Absent Mind" - David & The Citizens | Are You In My Blood? | 2006 (3:02)
04. "Hallucinations" - The Raveonettes | Lust Lust Lust | 2007 (2:59)
05. "Lucky Charms (Live '02)" - The Moldy Peaches | Moldy Peaches 2000: Unreleased Cutz and Live Jamz 1994-2002 | 2002 (3:04)
06. "Furniture" - Final Fantasy | Has A Good Home | 2005 (2:02)
07. "Long Way South" - JJ72 | JJ72 | 2000 (2:51)
08. "I Know the Weight of Your Throat" - Sunset Rubdown | Snake's Got a Leg | 2006 (2:50)
09. "Don't Look Down" - Guillemots | Red | 2008 (4:39)
10. "Cemetery Gates" - The Smiths | The Sound Of The Smiths (The Very Best Of) | 2008 (2:40)
11. "Camelot (Your Kingdom Is Well)" - Russenorsk | In A Great Wave Of Horns | 2007 (3:05)
12. "Modern World" - Wolf Parade | EP (#1) | 2003 (2:47)
13. "Skullduggery" - James | Stutter | 1991 (2:43)
14. "California Waiting" - Kings Of Leon | Youth and Young Manhood | 2003 (3:28)
15. "Still" - The Mary Onettes | The Mary Onettes | 2007 (3:38)
16. "Beautiful Pain" - The Tears | Here Come The Tears | 2005 (3:46)
17. "Nursery, Academy" - Tokyo Police Club | Elephant Shell | 2008 (2:26)
18. "Sleep (Is For Everyone)" - Sad Lovers And Giants | Feeding The Flame | 1988 (5:05)
19. "Back To You" - Brett Anderson | Wilderness | 2008 (3:14)
20. "Suit Yourself" - Shout Out Louds | Our Ill Wills | 2007 (2:58)
21. "Stacks" - Pulp | Intro. The Gift Recordings | 1993 (2:42)
22. "J'aime Vous Voire Quitter" - Islands | Arm's Way | 2008 (3:23)
23. "World Keeps Turning" - Richard Ashcroft | Keys To The World | 2006 (3:56)
24. "Again & Again" - Keane | Perfect Symmetry | 2008 (3:50)
25. "Við Spilum Endalaust" - Sigur Rós | Með Suð Í Eyrum Við Spilum Endalaust | 2008 (3:33)

Dazu für jeden ein persönlicher Gruß als Booklet & im neuen Jahr geht es wie gewohnt weiter. Allen eine frohe Weihnacht.

Mittwoch, Dezember 10, 2008

Hearts Of Iron

aber nicht aus Stahl.

Daher finde ich es ausgesprochen beschissen, wenn jemand glaubt, sich mir gegenüber unbedingt aussprechen zu müssen. Schon klar, dass man gerne das eigene Gewissen, welches rau und aufgekräuselt ist, beruhigen möchte, aber das bitte nicht auf meine Kosten. Nicht auf Kosten meiner Gefühle.

Für die Zukunft verzichte ich daher gerne auf Erklärungen, Wahrheiten und sonstige Schilderungen. Möchte ich etwas wissen, frage ich. Danke. Funken mir unentschlossene Realisten nicht dazwischen, lebe ich nämlich eigentlich sehr gut...

Sonntag, Dezember 07, 2008

Hübsch, hübscher, der Schönste

Er: bist du noch hübscher geworden?

Es gibt Fragen, deren Antwort man nicht vorwegnehmen kann.

Samstag, Dezember 06, 2008

Lecker!

Gut Lecker, wenn Freunde so gut über die persönlichen Präferenzen Bescheid wissen.

Freitag, Dezember 05, 2008

Weck den Löwen in dir

- trink Singha-Bier. Könnte doch ein guter Spruch für die Vermarktung von Singha sein. Wenn ich keinen mit überkreuzten Beinen meditierenden Buddha in Stein bekomme, dann möchte ich bitte ein blattgoldenen Löwen (Rajasi) auf einem kleinen Podest. Gern der Abbildung ähnlich:

Donnerstag, Dezember 04, 2008

Du geiler Sack

Wenn man das an den Kopf geworfen bekommt, ist das im schlimmsten Fall ordinär aber immerhin in Richtung eines Kompliments. Wenn einem der Kassierer im Klamottenladen allerdings die Ware mit den Worten "Und hier, ein heißer Sack für dich" überreicht, dann, ja dann macht man sich so seine Gedanken. Ich meine, man hätte auch sagen können "Hier, du geiles Stück, hier ist deine Ware" oder aber "Da, nimms schon endlich, du heißer Feger". Aber nein, da lässt der Typ es lieber so klingen als wäre ich schmückendes Beiwerk und diese (übrigens ausgesprochen hässliche!!!) Tüte etwas besonderes. Wo sind die echten Komplimentemacher?

Samstag, November 15, 2008

Mixtape auf CD 11/2008



Coverbild von http://flickr.com/photos/harshapvss/.






Nights At The Circus (20 Titel, 82:07 Min.)

Titelliste

01. "Overture" - You Say Party! We Say Die! | Hit The Floor! | 2006 (2:02)
02. "Sisini" - Super Biton De Segou | Mali | 2007 (5:38)
03. "Throw It On A Fire" - Bell Orchestre | Recording A Tape The Colour Of The Light | 2005 (4:46)
04. "Oldster by Xilin River" - Sa Dingding | Sacred Sound On KAOS fm | 2008 (3:34)
05. "Soobax" - K'naan | Awards for World Music 2007 | 2007 (3:45)
06. "Kemayoran" - Various Artists | Discover Indonesia | 2000 (4:53)
07. "Feira De Mangaio" - Think of One | Awards for World Music 2007 | 2007 (4:20)
08. "Winnawal Burru" - Jowandi | Australia: The Dreaming | 2003 (4:14)
09. "Nights At The Circus" - Bishi | Nights At The Circus | 2007 (3:57)
10. "Pay Dar Doran - Memory Of Cycles" - Madjid Khaladj | Iranian Percussions: Tombak, Daf, Dayre And Zang-e Saringosh | 2001 (3:33)
11. "Badjirgal's Wish" - Sainkho | Naked Spirit | 1998 (3:04)
12. "Soixante Trois" - Tinariwen | Aman Iman: Water Is Life | 2007 (4:13)
13. "Heaven and Earth" - Svetilen Emsemble | Sacred Sound On KAOS fm | 2008 (2:11)
14. "Oceania" - Björk | Original Music from the Film "Screaming Masterpiece" | 2005 (3:22)
15. "Byanchuli (morning song, part II)" - Various Artists | Himalaya Roots - Traditional Music of Nepal | 1997 (4:23)
16. "Yes" - Coldplay | Viva La Vida Or Death And All His Friends | 2008 (7:06)
17. "Pena Verde - Rhythm of Samba" - Various Artists | Songs and Dances of Brazil | 1956 (2:32)
18. "Del Mar Rojo" - Stellamara | Star Of The Sea | 1997 (5:07)
19. "Hana Nu Kajimaya" - Takashi Hirayasu & Bob Brozman | Jin Jin / Firefly | 2000 (2:29)
20. "Gaztelugatxeko Martxa" - Kepa Junkera | Bilbao 00:00 h | 1999 (6:58)

Aus dem Booklet

Hallo und Ohren aufgesperrt,

denn hier kommen 20 unerhörte – und hoffentlich auch ungehörte – Musiktitel aus aller Welt. Mit dieser Musikauswahl pfeife, singe, spiele, schmettere ich gegen tristes Grau im November. Stattdessen musikalische Farbe aus Canada, Mali, China, USA, Indonesien, Belgien, Australien, Großbritannien, Iran, Tuva, Syrien, Russland, Island, Nepal, Brasilien, Japan und Spanien. Wahnwitziges Unterfangen? Eine Musikmischung, die gegen die Maximen des guten Geschmacks verstößt? Genau! Es ist wie mit Hosen oder Shirts: das Lieblingsstück wird immer das für zunächst untragbar gehaltene Stück Stoff. Legen wir los!

1.Für einen sphärischen Auftakt sorgen die Powerfrauen von You Say Party! We Say Die! Darüberhinaus sind sie das beste Beispiel, dass die sogenannte Weltmusik schon längst im Pop und Rock angekommen ist, auch in Canada.

2.Nach der kühlen nördlichen Mystik nun zu einem Ensemble aus Mali. Super Biton de Segou sind eine der Stars der malinesischen Musikszene der 1970er Jahre. Getroffen haben sich die Bandmitglieder auf den jährlichen Bandwettberwerben und gründeten eine Band. Kennzeichnend für Super Biton ist die Energie und der charakteristische Gesang Mamadou Doumbias. Ab 1980 war leider Schluss mit der Band, Doumbia macht einige Soloplatten und das Erbe Super Bitons ist verstreut auf zahlreiche Compilations.

3.Zurück nach Canada und damit ein kleiner Vorgeschmack darauf, wie die geographischen Verhältnisse dieses Mixtapes auf CD liegen: unheimlich weit auseinander. Von Montreal bricht auf uns hernieder die fünfköpfigen Bell Orchestre. Sie standen bereits als Orchester mit Arcade Fire auf der Bühne und einige Personen sind sowohl Mitglieder von Bell Orchestre als auch von Arcade Fire. Musikalisch lässt sich das, was sie tun, am ehesten als wilder Instrumental-Rock beschreiben. Eine fabelhafte Scheibe mit einer ungeheuren, ja, fast überirdisch anmutenden Energie, fiedelnd zur Schau gestellt in Throw It On A Fire.

4.Der nächste Titel Oldster by Xilin River führt uns nach China. Sa Dingding ist eine chinesische Folksängerin mongolischer Abstammung und nebenbei ein Sprachtalent. Ihre Texte singt sie auf Mandarin, Sanskrit, Tibetanisch, einer beinahe ausgestorbenen Sprache Namens Laghu und, manchmal kommt man ja einfach nicht weiter in 4 Sprachen, einer Phantasielautsprache. Wie es sich für Folksänger gehört, begleitet sie ihre Songs selbst auf traditionellen Instrumenten (beispielsweise die Pferdekopf-Geige). Sie wurde 2006 zu Chinas bester Tanzmusiksängerin gewählt, erhielt 2008 den BBC Radio 3 World Music Award und arbeitet an einem neuen Album, das 2008 erscheinen soll.

5.Und ab nach Somalia, zumindest vom Einfluss her. Der, der hier so grandiosen Lärm macht, ist Kaynaan Warsame, ein 1978 in Mogadischu geborener Künstler, der inzwischen in Canada residiert. Seine Großmutter war Somalias berühmteste Sängerin, der Vater Dichter – logisch, dass der Junior auch in die Kunst wollte. K'naan hat sich textlich ganz dem Singen für eine bessere Welt verschrieben und hat sich zu diesem Zweck spontan noch Rappen beigebracht. Die Texte sind meist auf Englisch, fordern das Ende des blutigen Krieges in seiner Heimat und musikalisch liest man, es handele sich um die Mischung aus Bob Marley und amerikanischem Hip Hop. Passt genau zu diesem Mixtape; denn bis man es gehört hat, kann man sich darunter nicht viel vorstellen.

6.Kemayoran ist faszinierend. Der Titel würde locker auch an einen europäischen Hof passen. Tatsächlich ist es aber ein indonesischer Song, den ich auf einer CD mit einer kondensierten Auswahl indonesischer Musikstücke gefunden habe. Ich muss gestehen, für europäische Ohren klingt das hier recht vertraut, harmonisch und gar nicht so „richtig“ 12-tonig.

7.Normalerweise dauert Jakarta – Brüssel 12 Stunden oder so, hier liegen beide Zentren nur einen Titelabstand auseinander. Zu hören sind Think Of One, eine hyperenergische Gruppe aus Brüssel (ich wusste schon immer, diese Stadt hat es in sich) mit einem so wundervoll akzentuierten Portugiesisch, dass ich ganz von Sinnen bin. Mangaio ist die ackerbauliche Ernte, es ist also eine Art Erntelied.

8.Der Interpret von Winnawal Burru hat wieder eine spannende Biographie zu bieten. Wayne Jowandi Barker ist in Broome, australisches Outback, geboren und Nachfahre der Yawurru und Jabirr Jabirr, beides Aborigine-Stämme. In jungen Jahren gründete er einen der ersten Aborigine-Radiosender, einige Zeit später das Aborigine-Filminstitut, lehrte dort, machte eigene Filme und fand irgendwann, die Zeit wäre Reif für eigene Musik. Inzwischen lebt der mit Preisen und Auszeichnungen reich dekorierte Mann in Frankreich, unterhält aber, das ist so seiner Website zu entnehmen: „enge Kontakte zu den Angehörigen des Stammes“. Sage mal noch einer, Aborigines hielten nichts von den neuen Technologien.

9.Jetzt bewegen wir uns auf Kolonialpfaden (böse, sorry) zurück nach Großbritannien. Dort tritt die bengalisch-stämmige Bishnu Priya im angesagtesten Klub der Stadt, Kash Point, auf. Ihre Musik, man hört es, ist stark beeinflusst von den Einflüssen, die sie auf ihren jährlichen Besuchen in Indien aufliest. Wenn sie nicht gerade ihre Umgebung analysiert oder auflegt, dann spielt sie auch noch eine handvoll typischer Instrumente. Ich liebe ihr Englisch, das klingt toll und auch sonst, ist es eine wundervolle Sache, dieses, ehm, außerirdische Musik-Thingy...

10.Und wieder geht es Richtung Osten. Da finden wir Madjid Khaladj, einen iranischen Perkussionskünstler. Memory Of Cycles mag ein Wenig esoterisch anmuten, ist aber einfach nur dem konzentrierten Sprechgesang geschuldet, welcher dem Interpreten erlaubt, solch geniale Rhythmen zu spielen. Am Besten klingt das Stück, wenn die Boxen eine schöne Basswiedergabe haben. Achso, Bauchwackeln, respektive -tanzen ist erlaubt, wegen mir auch ohne Verschleiern...

11.Mit dem vorliegenden Titel bewegen wir uns in die quasi-autonome Provinz Tuva auf dem Gebiet Russlands. Von dort stammt die Sängerin Sainkho die gerade Badjirgal's Wish aufführt. Sie ist ein Meister in der Atmung und weiß diese effektvoll für ihre Musik einzusetzen. Neben einem sehr gut trainierten Kehlkopf braucht man für diesen Gesang auch noch eine Hand, mit der man Verschlusslaute hervorpressen kann. Ich finde das aus musik-anatomischer Sicht total faszinierend.

12.An dieser Stelle zieht es uns in warme, ja fast, heiße Gefilde. Stellen wir uns eines von Gaddafis Wüstencamps vor. Dort trainieren sonnengegerbte Männer mit Waffen und irgendwann muss wohl einer Mal gesagt haben „hey, lasst uns Musik machen“. Und so entstand in Lybien eine Art gaaaaanz relaxter Wüstenrock. Stilecht mit Elektrogitarre und rauchiger Stimme. Die Gesänge ausnahmslos auf Tuareg aber schon volle Kanne abgeräumt bei Auslandsauftritten. So sieht kulturelle Öffnung aus dem militärischem Kontext aus.

13.Das aus Russland stammende Svetilen Ensemble ist mit keiner einfachen Aufgabe betraut: es soll die urrussischsten Musiktraditionen erhalten und verbreiten. Nun, das ganze strotzt tatsächlich nicht vor musikalischer Innovation. Dafür taugt der Titel jedoch fast als Weihnachtsgesang.

14.Björk zeigt jetzt nochmal wo der Hammer hängt: nämlich bei den Frauen. Aufgefallen, dass ein Großteil der Weltmusik weiblich ist? Gefunden habe ich Oceania (wie passend, wenn man auf einer Insel umgeben vom Atlantik wohnt) auf einer Compilation zur isländischen Musikgeschichte. Björks Oceania ist dabei der Renner.

15.Gletscher und Eis finden sich auch im Land dieses Songs: Nepal. Neben einigen ziemlich hohen Bergen hat das kleine südasiatische Land auch eine interessante Musik zu bieten. Entweder sind es Mönche die andächtig „om“ machen oder Spielstücke, die völlig ohne Gesang, dafür aber mit der typischen Sarangi (ein 3- oder 4-seitiges Streichinstrument) und einer ganzen Zahl von Trommeln auskommen.

16.An dieser Stelle nun noch ein Mal ein Beispiel für Weltmusik in der Popmusik: Coldplays Yes aus dem letzten Album. Streichinstrumente sind auch hier das Stichwort. Denn was da so vor sich hin rüttelt sind nun nicht unbedingt typisch britische Melodien – viel eher hat man sich da östlicher Einflüsse bedient. Clash of Cultures ist gelungen, würde ich sagen. Abseits des weltmusikalischen Aspekts auch ein schönes Album.

17.Dieses Stück stammt von einer CD, die vermutlich so alt ist, wie die Aufnahmepraxis auf Wachsrollen. Nein, ernsthaft. Das Ding ist so mies von der Aufnahme her aber die Titel sind wundervoll authentisch und transportieren eine Menge Gefühl. Außerdem sind sie herrlich kurz und aus meinem Lieblingsland Brasilien. Zu dem hat eine kleine Samba noch keiner CD geschadet :-D

18.Von Brasilien ist es für die Verhältnisse dieser CD sogar recht nah in die USA. Dort siedelt das Ensemble Stellarmara. Bestehend aus Amerikanern verschiedenster Abstammung machen sie eine Musik mit mal phantastisch-mittelalterlichen oder Balkanelementen. Das ist auch bei Del Mar Rojo (Vom Roten Meer) Programm.

19.Wem es bisher zu ernsthaft, zu schwer, zu anstrengend war, dem lege ich japanische Gitarrenmusik ans Herz. Ernsthaft: Takashi Hirayasu ist ein Meister seines Instrumentes und singt zudem noch ganz wundervoll. Man ertappt sich unweigerlich dabei, wie man mit dem Kopf wackelt auch wenn man keinen Brocken versteht. Und nun erkläre mir einer, warum die Japaner oftmals so distanziert, ruhig und abgeklärt wirken...

20.So und zum Schluss setzen wir dem noch Eines auf: Der letzte Song ist absolut als Ausspracheübung zu empfehlen: Gaztelugatxeko von Kepa Junkera, einem hochgradig talentierten Akkordeon spielenden Basken. Der Song stammt von einer CD, die er seiner Heimatstadt Bilbao gewidmet hat und in allen Songs stellt er unter Beweis, dass er nicht nur Meister des Akkordeons ist, sondern auch noch alle erdenklichen anderen Instrumente beherrscht.

Auch euch bei allen Aufgaben gutes Gelingen, viel Vergnügen mit der Weltmusik und bis zum nächsten, dann ganz standesgemäßen retrospektiven Mixtape auf CD im Dezember. Es grüßt, Peter.

Mittwoch, Oktober 15, 2008

Mixtape auf CD 10/2008





Neu: Mixtape mit individuellem Rohling und jahreszeitlich stimmigem Booklet.

The Art Teacher (20 Titel, 79:02 min)

Titelliste:

01. "Slow The Stars Again For Me" - De Trop | I Will Just Sit And Wait Until Your Face Leaves My Mind | 2006 (1:43)
02. "Norway, America, Australia" - David & The Citizens | Song Against Life - EP | 2002 (4:13)
03. "Drei Schritte vom Abgrund entfernt" - Tocotronic | Digital ist besser | 1995 (1:31)
04. "Beautiful Future" - Primal Scream | Beautiful Future | 2008 (5:10)
05. "Tell The King (Original Demo Version)" - The Libertines | Don't Look Back Into The Sun (7'' Vinyl) | 2003 (3:44)
06. "The Gap (Between The Rich And The Poor)" - You Say Party! We Say Die! | Hit The Floor! | 2006 (3:02)
07. "Powder Blue" - Elbow | Asleep In The Back | 2002 (4:31)
08. "Penzance" - Patrick Wolf | The Libertine (Maxi-Single) | 2005 (5:24)
09. "All The Love In All The Rain" - De Trop | I Will Just Sit And Wait Until Your Face Leaves My Mind | 2006 (3:12)
10. "Karma Police" - Radiohead | OK Computer | 1997 (4:21)
11. "I Get My Beat" - Richard Ashcroft | Alone With Everybody | 2000 (6:02)
12. "Song For Freedom" - The Royal Family And The Poor | In The Sea Of E | 2003 (3:34)
13. "Mistral" - Distance | My Demons | 2007 (4:40)
14. "Big Stuff" - Jarvis | Don't Let Him Waste Your Time / Big Stuff (7'' Vinyl) | 2007 (4:57)
15. "The Art Teacher" - Rufus Wainwright | Want Two | 2005 (3:51)
16. "Neulich im Kanal" - Gustav | Verlass die Stadt | 2008 (3:49)
17. "Hoppípolla" - Sigur Rós | Takk... | 2005 (4:28)
18. "The Lovers Are Losing" - Keane | Perfect Symmetry | 2008 (5:13)
19. "Sink Like A Stone" - Delays | You See Colours | 2006 (3:05)
20. "We're Gonna Make It" - DeVotchKa & Michael Danna | Little Miss Sunshine | 2006 (2:33)

Aus dem Booklet:

Musikliebhaber aller Länder,

willkommen im Mixtape auf CD für den Oktober 2008. Statt herbst-wetterlicher Tristesse gibt auf dieser CD eine Musikauswahl, die ich mir in groben Zügen so während eines Kurzurlaubs in der anhaltinisch-brandenburgischen Provinz überlegt habe. Daher gibt es auch nicht so schrecklich viel Neues, wohl aber ziemlich gute – will nicht sagen: Evergreens – Klassiker. Im November dann, wie auch in 2007, eine Disk voller Musik aus (fast) allen Ländern. Wie gefällt die neue Gestaltung der CDs selbst?

1.Gemächlich geht es los mit De Trop aus Schweden. Das Album mit dem wirklich eingängigen Titel I will just sit and wait until your face leaves my mind ist ein ruhiger Mix aus Gitarren und einigen (selbstgebastelten?) Instrumenten. Die Lieder eher ruhig als wild, sprechende Songtitel mit dem Hang zur Melancholie – ja, ist halt Herbst.

2.Der zweite Titel geht an David & The Citizens und damit bleiben wir erstmal in der nordischen Ecke. Ein recht folkiger Song darüber, dass überall alles gleich ist. Stimmt ja auch: H&M gibt’s überall, jede westliche Innenstadt ist das Spiegelbild Ihrerselbst, ob nun in Norwegen, Amerika oder Australien.

3.Hier machen wir mal Hamburger Schule. Viel bemüht, ich weiß. Aber seitdem ich bei einer sehr lieben Person Tocotronic gehört habe, fand ich, es müsste ein Song hier drauf. Also freie Bahn für (damals noch) jugendliche Aussichtslosigkeit in Form von Drei Schritte vom Abgrund entfernt.
4.Das schmettert: Von Primal Screams neuer CD gibt es an dieser Stelle Beautiful Future. Ein so plakativer Song muss einfach helfen, obgleich im Text ja von aufgehängten Leichen, dem elektrischen Stuhl und brennenden Autos die Rede ist. Schönes Beispiel für einen Pulp-esken Ansatz.

5.Wir bleiben noch eine Runde im Vereinigten KÖnigreich. Die Libertines sind wieder da. Ehm, nein, leider nicht. Auf einer B-Seite verbirgt sich jenes schöne Demo von Tell The King. Ein Song, den ich zeitweise immer wieder gehört habe. Diese Version ist anders, aber keinesfalls schlechter. Neulich hab ich gelesen, Pete und Carl spielen jetzt immerhin schon wieder zusammen; vielleicht wird es ja doch wieder was mit der Reunion.

6.Okay, auf der Sechs jetzt geballte Frauenpower aus Canada, wenn ich mich recht erinnere. Ein Album, das nur vor Power strotzt: Hit The Floor! Von You Say Party! We Say Die! Krasse Band und verdammt coole Idee. Die erinnern mich am ehesten noch an The Organ, obgleich WSPYSD wesentlich aufgeregter sind. Der Song fällt in die Kategorie Leute aufwecken mit peppigen Texten.

7.Nach viel Frauen-Gezappel jetzt etwas ruhigeres von Elbow (die Entdeckung der letzten drei Wochen). Eine Band, die gerade unheimlich für ihr aktuelles Album gerühmt wird, Mercury-Award und man liest überall über sie. Der Song Powder Blue stammt vom 2002er Album Asleep in The Back und ist eine Homage an einzigartige Moment. Rührende Textzeilen und geniale Instrumentierung inklusive: Stumble through the crowds together / They're trying to ignore us. That's o. K / I'm proud to be the one you hold when the shakes begin.

8.Neulich habe ich mal Pressephotos von Patrick Wolf gesucht und war ganz hin und weg. Aber zurück zur Musik. Penzance, ein Küstenort in Schottland, wenn ich das recht in Erinnerung behalten habe, ist der Titel für den vorliegenden Song. Ich seh's ja so, dass Herr Wolf hier Penzance als Ort, an dem die Winde entstehen, als Vergleich für das Entstehen einer Sehnsucht (Liebe) bemüht. Finde das äußerst gelungen, wenn auch künstlerisch nicht revolutionär. Kann ja aber nicht in allem eine Revolution beginnen. (Außerdem hat er den Ästhetikbonus :-)

9.Jetzt machen wir noch eine Runde De Trop. Diesmal mit All The Love In All The Rain. Ein Song, der ist, was er erwarten lässt: Höhere, regentropfige Klänge vor ruhiger, liebevoller Hintergrundmelodie.

10.Noch einer aus der Kategorie Klassiker: Radioheads Karma Police. Ein Klassiker, den ich oft gehört, dessen Lyrics ich oft gelesen, mir aber nie so richtig einen Reim drauf machen konnte. Karma Police, Überwachung unserer innersten Gedanken oder so was vielleicht? Genialer Song vom Album OK Computer.

11.Richard, Yeah! Gleich eine Liebeserklärung in den ersten Zeilen, das war ein Song für mich. Der bestaussehendste Musikschaffende Britanniens findet seinen Takt und macht einen positiven Wohlfühlsong daraus.

12.The Royal Family And The Poor sind vermutlich mit meine Lieblingsinterpreten. Das liegt daran, weil sie obskure Songs, wie beispielsweise auf dem Factory-Mixtape zu hören, gleichermaßen beherrschen, wie eingängige Popballaden. Song For Freedom: Childlike Revolution – Instant Smile. Dem ist nichts hinzuzufügen.

13.Nachdem Burial die Dub-Step-Szene aufgeweckt hat, kommen immer mehr Djs aus der Versenkung und präsentieren ihre Werke. Unter dem Namen Distance tut das Greg Sanders aus Kent, Vereinigtes Königreich. Eigentlich nicht unbedingt meine Musik, aber das hat etwas. Das Album My Demons ist insgesamt stimmig obgleich nur zwei, drei Titel wirklich herausragend sind, der Rest verliert sich etwas in Gleichmacherei.

14.Eigentlich würde hier gut das sogenannte dicke Ende passen, aber Schluss ist noch nicht. Jarvis bringt uns Big Stuff (auch von einer B-Seite) und das ist mal ein großartiger Song. Die Weisheiten bringt uns ja immer der Jarvis, ob nun unter dem Namen Pulp oder Jarvis. Und ich liebe seine Rachegelüste, ich kann das so was von gut nachvollziehen. Unchristliche Gefühle müssen auch mal sein, wenigstens im Kopf. Oh, but suddenly the way you're living, well it don't make any sense / Oh yeah the magic hour is over, now it's time to pay the rent / Oh everything you ever had you spent.

15.Und wer liegt mir ebenso am Herzen? Der Herr Wainwright. Und heute tue ich es ihm gleich, denn ohne, dass mir mein damaliger fabelhafter Kunstlehrer Herr Müller gezeigt hätte, wie man Schablonen und dazugehörige -Drucke anfertigt, gäbe es dieses Mixtape auf CD nicht. Daher Daumen hoch für Herrn Müller, obgleich mich solch starke Gefühle wie bei Rufus nicht mit meinem Kunstlehrer verbanden. Ich liebe autobiographische Bezüge in Songs, erwähnte ich das bereits? Bühne frei für The Art Teacher.

16.Oh ja, nach dem sich auch der Hype um Gustav wieder gelegt hat, liefere ich von dem erstklassigen Album Verlass die Stadt den medienkritischen Diskurs Neulich im Kanal nach. Diesen Song im Frühjahr zu hören, das war wie eine Offenbarung, ich dachte, die singt, was auch du denkst. Wow.

17.Auch von Sigur Rós lege ich noch etwas nach. Hoppípolla aus dem Album Takk... von 2005. Das habe ich im Urlaub im Dunkeln gehört und es hat mich umgehauen. Hoffentlich zündet es auch so bei euch, man muss sich darauf einlassen und wird so unendlich belohnt.

18.Nach dem ich Keanes Under The Iron Sea ganz plötzlich für mich entdeckt habe, sind die Hoffnungen für das Folgealbum entsprechend hoch. The Lovers Are Loosing orientiert sich sehr an Spiralling, was nichts schlechtes heißen muss, Anleihen bei den 1980ern gehen immer. Was mich neben der Musik auch immer begeistert, ist das Art-Work ihrer CDs.

19.Manchmal gefällt mir Musik, die in einer Liga spielt, die mir normalerweise gar nicht behagt. Die Delays sind so was von auf der Grenze von duseligem Radiopop, dass ich Anfangs immer überlegt habe, ob ich sie grässlich oder großartig finde. Ich habe mich für Letzteres entschieden. Immerhin haben sie hier einen perfekten Song gegen Liebeskummer produziert (welcher auch Schorre-Potiential hätte...). Don't let your heart break; this is your finest hour / Sink like a stone (on my heels) and into the green, letting love go / But oh no, hey, where did you go?

20.Mit DeVotchKa hätten wir es dann auch diesmal wieder geschafft: 20 geniale Titel in knapp 80 Minuten. Passend dazu und auch für alle anderen Herausforderungen We're Gonna Make It (eigentlich müsste es ja heißen: We made it). Jawohl!

In diesem Sinne - es grüßt
Peter.

Freitag, September 19, 2008

Quark im Radio

Deutschland, armes Land. Nein, wirklich, es soll hier nicht um die Bankenkrise gehen, sondern um Menschen wie du und ich. Individuen, die sich das, was sie tun (müssen) nicht ausgesucht haben oder einfach ziemlich schlecht erledigen, weil es keinen Spaß macht (und/oder ihnen die mangelnde Selbstdisziplin fehlt, ihre Aufgabe ordentlich zu beenden).

Ich wettere hier auf den Radiosender, den ich inzwischen abgeschaltet habe, weil er mir einfach zu oberflächlich berichtete und mit zu vielen Modalpartikeln um sich warf. Leider gibt es keine Nachrichtenmeldung online, die ich hätte vorführen können. So muss ich es nach bestem Gewissen nachstellen.

Diese Nachrichtenmeldung
Die Europäische Union hat China aufgefordert, den Milchskandal vollständig aufzuklären. Oberste Priorität sei, die europäische Versorgungskette sicherzustellen, erklärte der zuständige Generaldirektor der EU-Kommission für Gesundheits- und Verbraucherschutz. Nach bisherigen Erkenntnissen sind keine verseuchten Milchprodukte in Europa entdeckt worden. Die EU ist Chinas größter Handelspartner. Die giftige Chemikalie Melamin ist in China jetzt auch in Frischmilch nachgewiesen worden.

würde man auf MDR-Info ungefähr so verlesen:

Die Europäische Union hat China aufgefordert, den sogenannten Milchskandal recht vollständig aufzuklären. Oberste Priorität müsse wohl sein, die europäische Versorgungskette sicherzustellen, erklärte der scheinbar zuständige Generaldirektor der sogenannten EU-Kommission für Gesundheits- und Verbraucherschutz. Nach bisherigen Erkenntnissen sind anscheinend keine möglicherweise verseuchten Milchprodukte in Europa entdeckt worden. Die EU dürfte Chinas größter Handelspartner zu sein. Die offenbar giftige Chemikalie Melamin ist anscheinend jetzt auch in Frischmilch nachgewiesen worden.

Gott, schnellstmöglich sollte der verantwortliche Redakteur ausgewechselt, höher bezahlt oder aber anderweitig motiviert werden. Man hält es als sogenannter Hörer nicht mehr aus...

Montag, September 15, 2008

Mixtape auf CD 09/2008



(Fotografie Spiral von http://www.flickr.com/photos/photochiel/

Hope There's Someone (80:05 min, 18 Titel)

Titel

01. "Free Man in Paris" - Sufjan Stevens | A Tribute to Joni Mitchell | 2007 (5:01)
02. "Wolves" - Phosphorescent | Pride | 2007 (6:14)
03. "The Reputation Of Ross Francis" - My Latest Novel | Wolves | 2006 (2:59)
04. "California Dreamer" - Wolf Parade | At Mount Zoomer | 2008 (6:00)
05. "Light Of Love" - Music Go Music | Urban Outfitters - LSTN #1 | 2008 (5:14)
06. "Hope There's Someone" - Antony And The Johnsons | I Am A Bird Now | 2005 (4:20)
07. "Sore" - Annuals | Urban Outfitters - LSTN #1 | 2008 (4:12)
08. "Messenger Man" - Willi Williams | Messenger Man | 2005 (4:46)
09. "Somewhere" - The Durutti Column | Someone Else's Party | 2003 (3:52)
10. "The Unicorns: 2014 (Demo Autumn 2002)" - The Unicorns | The Unicorns: 2014 | 2004 (3:34)
11. "Judas" - The Verve | Forth | 2008 (6:19)
12. "Chinese Whispers" - Brett Anderson | Wilderness | 2008 (3:21)
13. "What Can I Do?" - Antony And The Johnsons | I Am A Bird Now | 2005 (1:40)
14. "Roses" - ironville | The YAA! Tapes - Vol. 1 | 2008 (2:47)
15. "Waste Of Space" - Delays | You See Colours | 2006 (3:57)
16. "Spiralling (Radio Edit)" - Keane | Spiralling | 2008 (3:28)
17. "Sky Phenomenom" - Jens Lekman | Maple Leaves | 2004 (4:36)
18. "Syndir Guðs (Opinberun Frelsarans)" - Sigur Rós | Von | 1997 (7:45)

Aus dem Booklet:

Geschätzte musikbegeisterte Rezipienten,

eine neue Ausgabe des Mixtapes auf CD liegt vor. Im September begeistern (hoffentlich!) Lieder mit eindeutigem Bezug auf vergangene Jahrzehnte. Die 1980er sind wieder in und die 1960er waren sowieso nie out. Wer als Band schon Material in den 1990er veröffentlichte, besinnt sich gern darauf zurück und alle Anderen mischen und basteln zusammen, was sich an musikalischem Material davor und danach finden lässt; machen letztlich die Musik für diesen Moment. Hoffentlich wird mit dem aktuellen Mixtape auch aus eurem Nachmittag/Abend ein besonderer Moment. Ich hatte wie immer großen Spaß beim Heraussuchen der Titel. Fangen wir an.

1.Den Auftakt macht der niedliche Sufjan Stevens mit Free Man In Paris. Der Song kommt aus einer Compilation zu Ehren der aus Canada stammenden Folk-Sängerin Joni Mitchell. Ein Song mit wunderschöner Blechbläserbegleitung, der gut eine Unterhaltung in einer Bar nachstellen könnte. Nach dem Motto: Und Sie, sind Sie mit ihrem Leben zufrieden? "The way I see it," he said, "You just can't win it'' / Everybody's in it for their own gain / You can't please them all / There's always someone calling you down.

2.Dieser Song stammt von Phosphorescent, einer Ein-Mann-Band aus New York. Das Album Pride (von dem wir Matthew Houck mit Wolves hören) bekam gute Kritiken. Ich mochte daran besonders den spirituellen Touch, insgesamt höre ich hier sehr selektiv. Wolves ist aber mit der beste Titel auf der CD, die sich hervorragend zum Hören in dunklen Zimmern bei Kerzenlicht eignet. CD-Tip Nummer 1 für die Herbstsaison.

3.Wer es im Herbst eher etwas herzhafter, sprich lieber Pilzpfanne denn Apfelkompott haben möchte, dem empfehle ich das Album Wolves (wir bewegen uns heute thematisch nur langsam *g*) von den Glaswegians My Latest Novel. Ein grandioses, dichtes, so dermaßen scharfes Album, das ganz im Stile von Arcade Fires Funeral produziert ist und mich immer wieder begeistert. Die Leute von My Latest Novel brauchen die Vergleiche in höherer Liga überhaupt nicht fürchten. Wie gesagt, wer Arcade Fire, The Twilight Sad und The Besnard Lakes gut fand, der findet hier viel Freude, CD-Tip Nummer 2.

4.Von den Wölfen kommen wir heute so schnell nicht weg, Wolf Parade steuern in Anlehnung an California Dreaming ihr California Dreamer bei. Besonders genial ist hier, wie Spencer Krug & Co die Referenzen zum Original einbauen. Beweise? And you were dreaming of Los Angeles (vgl. I'd be be safe and warm if I was in L. A / California dreaming on such a winter's day). Selbstredend ist Krugs Version etwas länger als das Original :-D

5.So, nun aber mal weg von den Wölfen. Jetzt gibt es etwas viel schöneres aber nicht minder gefährliches (wenn man's zulässt). Light Of Love von Music Go Music, welchen einen gewissen Abba-Charme haben, meine ich jedenfalls. Aber der Herbst ist bunt, warum darf nicht das Mixtape auch mal partiell kitschig sein. Ich merke gerade wie herrlich sich heute alles fügt: Music Go Music stammen zufällig aus California...

6.Nach dem Abba-esken Gefühlsausbrüchen gibt es nun ehrliche Emotionen. Antony And The Johnsons dürfte die Herzen aller Rufus-Fans bereichern (der Bang kommt später). Ein Mensch, schwer zu sagen ob nun eher Mann oder Frau betritt die Bühne und singt alle bisherigen Freddy Mercurys einfach weg und katapultiert sich mit Hope There's Someone jenseits aller Gender-Grenzen in die Herzen aller (nicht prolligen) Musikfans. Oh I'm scared of the middle place / Between light and nowhere / I don't want to be the one / Left in there, left in there. Dem ist nichts hinzuzufügen.

7.Die Annuals, ja ... Eine Band mit der ich immer viel Spaß habe, da ich erklärter Fan von pompösen Liedern bin. Jenem Betriebsgeheimnis der Band folgt auch Sore, ein trullernder Anfang dem ein so schöner, dichter, rockiger Rest folgt. Im Oktober gibt es das neue Album – ich lege dann mal Geld zurück...

8.Mit Reggae ist das ja so eine Sache. Eigentlich eine richtig tolle Musik aber regelmäßig verderben mir Hardcore-Rastafaris die Freude daran, wenn sie auf homofeindlich machen. Über Willi Williams hab ich nichts einschlägiges in dieser Richtung gefunden, nehmen wir also an, er ist einer der guten. Das Preisrätsel für dieses Mal ist übrigens folgende Frage: Welche richtig berühmte Gruppe coverte Willi Williams Messenger Man 1980? Als Belohnung winkt, ehm, winkt, ach ja, winkt ein Album eurer Wahl als Sicherheitskopie von mir. Vorschläge wie immer per E-Mail an mich.

9.Mit meiner Leidenschaft für Vini Reily brauche ich nicht hinter dem Berg zu halten. Der Mann ist einfach großartig. Somewhere ist wieder einer dieser subtil-schönen Songs, die man schwer entschlüsseln kann. Das vorliegende Album Someone Else's Party entstand kurz nach dem Tod seiner Mutter, weshalb die eine Hälfte der Lieder so eine Art Trauerbewältigung darstellt und die andere ist im Wesentlichen eine Neubearbeitung bekannter Lieder. Schlägt nicht beim ersten Mal ein, aber definitiv ein guter Song.

10.Auch definitiv top notch sind The Unicorns. Eigentlich müsstet ihr das schon selbst rausbekommen. Sie stammen aus, na, woher? Canada! Hört man schon in der ersten Songminute. The Unicorns bestehen zum Teil aus Künstlern, die auch in den Islands mitwirken. Daher sei an dieser Stelle der Verweis auf das Konzert der Islands in Leipzig in der Nato am zehnten Oktober gestattet. Der Song selbst richtig toll, auch mit Fragen die ich mir auch schon gestellt habe: Tomorrow is 2014 When I'll be 32 / And Will be 30 But will there be / enough roum for me enough oxygen for me to breathe?

11.Schrieb ich doch anfangs von Bands, die zu ihren Wurzeln zurückkehren, dann darf das in gewissem Maße für The Verves Forth gelten. Ein Album das ich voller Überzeugung als CD-Tip Nummer 3 empfehle. Dieser Song beschreibt für mich ja diese Situation: Man liegt in der Sonne, müsste eigentlich etwas tun aber irgendwie ist der Dämmertrieb zu stark, man nickt weg. The Verve beruhigen nun mein Gewissen: Feelings / Only feelings / Just worthless, so I let 'em go / And for a dream to happen / You gotta let it go, gotta let it go / Gotta let it go, gotta let it go aha. Danke für die wohl einleuchtendste Rechtfertigung zum Träumen.

12.Das vorliegende Album von Brett Anderson (verdammt sieht der gut aus, müsst euch mal die Pressephotos ansehen) läuft bei mir auf Dauerrotation. Bretts Solo ist so gelungen, neun derartig gefühlvolle Songs, die alle von Herzensangelegenheiten handeln. Das alles ohne irgendwie pathetisch daherzukommen und mit dem – mit Verlaub – Suede-Seufzer (wenn auch nur einmal, nämlich in Chinese Whispers). Wer Freude an ernsthaft und mit Können romantisierenden älteren Männern (die aber locker jedem Jüngeren noch das Wasser reichen können) hat, der sollte sich Wildernes als CD-Tip Nummer 4 empfehlen lassen.

13.Darf ich noch eine Runde großes Gefühl einleiten? Beginnen möchte ich mit einem weiteren Stück von Anthony And The Johnsons. Die Stimme leiht in diesem Titel Rufus Wainwright (enthusiastisches Kreischen bitte!). Das Lied selbst ist nicht länger als der gewöhnliche Moment absoluter Verzweiflung dauert: eine Minute und 32 Sekunden. What can I do / When the bird's got to die / What can I do / When she's too weak to fly.

14.Fortsetzen möchte ich mit Roses von ironville. Eine Band aus Schweden deren Songs alle „so“ sind: entweder geht es um die unsterbliche Liebe oder um gebrochene Herzen. Alles immer mit dieser schaumig-poppigen Haltung und der sehr guten Frontsängerin. Könnte ich mehr Schwedisch, wüsste ich noch einiges zur Band zu erzählen – so muss das Bisschen genügen.

15.In die Reihe der Liebeslieder reiht sich schließlich noch Delays Waste Of Space ein. Gleichzeitig ist es meine rhetorische Frage und Hoffnung, dass die bisherigen 60 Minuten kein Waste Of Space waren. Die Delays stammen aus Southampton und klingen ein wenig wie ein moderner Verschnitt der Cocteau Twins. Ich finde auch Ähnlichkeiten zum zweiten Album der Guillemots. Aus You See Colours von den Delays gibt es im Oktober noch einen Song, denke ich.

16.Mit 16 denkt man manchmal so komische Sachen, die eigentlich gut zu Keanes Spiralling passen: I'm waiting for my moment to come / I'm waiting for the movie to begin / I'm waiting for a revelation / I'm waiting for someone to count me in. Der Song selbst macht mich wahnsinnig. Ich hätte jede Schmusenummer (für die ich Keane wirklich abgöttig liebe) erwartet, aber nicht so einen krassen 80er Jahre Song (und das ist ein LOB – mehr davon!). Und dann auch noch immer diese Textzeilen: Did you wanna be a winner? / Did you wanna be an icon? / Did you wanna be famous? / Did you wanna be the president? / Did you wanna start a war? / Did you wanna have a family? / Did you wanna be in love? Ohh - When we fall in love / We're just falling / In love with ourselves. Was ist das genial, wenn auch nicht einzigartig. Ich spare für das Album im Oktober *sabber*

17.Ich weiß gar nicht so Recht, warum uns heute der Norden so beschäftigt. Jens Lekman ein smarter schwedischer Indie-Popper für diesen Titel. Diesmal auf romantischer Mission mit Sky Phenomenom. Ebenfalls ist mir unerklärlich, wie ich zu Lekman kam – manchmal findet auch die Musik einen selbst.

18.Zum Schluss wie immer etwas Ruhiges, was die CD so langsam ausklingen lässt. Wer wäre für intensive Ruhe besser geeignet als die Kollegen von Sigur Rós aus Island? Eigentlich nur Sigur Rós aus Island. Daher jetzt völlig unerwartet und überraschend der beste Titel aus dem ersten Album Von aus dem Jahre 1997. Darauf gibt es auch einen Titel, welcher spontan einmal vorwärts und drei Songs später rückwärts eingespielt wird. Die ersten vier Zeilen des vorliegenden Songs sind übrigens wie folgt: Skapaður í mynd manns í líki karls [der Karl?] og / Konu tvöföld var sú synd hans sgaði hans [der Hans?] / Sonur ekki hryggja heldur sefa mín lífs- / Speki alltaf rétt? Irgendwann muss doch ein Isländisch-Kurs her.

Speki alltaf rétt? - Ja, nein, vielleicht? Ich weiß es nicht, allen viel Spaß und bis zum nächsten Mal, Peter.

Freitag, August 15, 2008

Mixtape auf CD 08/2008




(Fotografie Power Tube von http://flickr.com/people/maurymccown)

Music Is Power (19 Titel, 78:47 min)

Titelliste

01. "Children In Pieces" - Morrissey | All You Need Is Me | 2008 (4:01)
02. "Second Best Death" - Maybe Smith | Second Best Death | 2006 (3:09)
03. "Don't Get Yourself Involved" - Shout Out Louds | Tonight I Have To Leave It | 2007 (4:10)
04. "Reasons To Go" - Last Days | These Places Are Now Ruins | 2007 (4:35)
05. "Let Down" - Radiohead | OK Computer | 1997 (4:59)
06. "Verlass die Stadt" - Gustav | Verlass die Stadt | 2008 (4:23)
07. "Call It A Ritual" - Wolf Parade | At Mount Zoomer | 2008 (2:45)
08. "Souleymane" - Orchestra Baobab | Classic Titles | 2006 (4:27)
09. "Visions" - The Royal Family And The Poor | We Love The Moon | 2003 (4:27)
10. "Enraptured Serene Mesmerism" - XarkaneX | Enraptured Serene Mesmerism | 2008 (4:08)
11. "My Dark Star" - Suede | Sci-Fi Lullabies | 1997 (4:26)
12. "Deer" - Swod | Sekunden | 2007 (3:46)
13. "Beautiful Child" - Rufus Wainwright | Want One | 2003 (4:15)
14. "The Only One (Mix 13)" - The Cure | The Only One | 2008 (3:57)
15. "Lighthouse" - Interpol | Live At Teatro Caupolican, Santiago, Chile (06.03.2008) | 2008 (5:45)
16. "Music Is Power (Live At The BBC, 2006)" - Richard Ashcroft | Live At The BBC, 2006 | 2006 (4:53)
17. "Love Is Noise" - The Verve | Forth | 2008 (4:03)
18. "Saddan Ai Thar (Enchanting Lake Of The Elephant)" - Kyaw Kyaw Naing | Pat Waing: The Magic Drum Circle of Burma | 1998 (4:13)
19. "NaNa" - Wizo | Anderster | 2004 (2:26)


Aus dem Booklet:

Liebes musikinteressiertes Publikum,

mal ganz ehrlich, was wäre die Welt ohne die verdammt wahre Musik Morrisseys, die ernstzunehmenden Hinweise Shout Out Louds, die Indie-Musik der Wolf Parade, das Schöngeistige von Suede, den Pathos eines Rufus Wainwrights, die (erste?) Liebeserklärung von Robert Smith, die genialen Kompositionen von Ashcroft & Co, den sich anzunehmenden Lebensentwurf von Wizo und all die leider nicht so bekannten Künstler aus Burma, Griechenland und Mali? Alles läge ziemlich im Argen... Im August wie immer alles vom Besten. Vielen Dank auch für die ersten Fragebögen, die langsam eintrudelten & nun viel Vergnügen mit dem Mixtape für August 2008.

1.Der Mann singt Wahrheit und ich wüsste nicht, mit wessen Songs ich ein Mixtape auf CD noch eröffnen wollen würde. Morrissey ist immer so brandaktuell: in Children in Pieces besingt er prügelnde Banden Jugendlicher, denen ignorante Eltern, Polizisten, Sozialarbeiter und Richter gegenüberstehen. „They kicked the shit out of very frightened children/Get your hands off me kid/I find my sentimental heart/hardens.“

2.Mit Second Best Death geben Maybe Smith ihr Debut. Ein Song der zwischen Electro-Schnippseln und Country-esker Begleitung pendelt. Die Gruppe selbst stammt aus Canada (ist das eigentlich das Land mit der größten Dichte erfolgreicher Bands?) und besteht so richtig nur aus dem Indie Pop-Singer und Songwriter Colin Skrapek selbst.

3.Die Shout Out Louds sind eine so wunderbare Band. Ich bin noch immer nicht darüber hinweg, dass sie mit Sportfreunde Stiller auftreten mussten. Ich meine, hatte die Knallerbse bei der Booking-Agentur auch nur einmal ihr aktuelles Album gehört? Die hätten in einen kleinen Club gehört, doch aber nicht in die Arena voller Prolls... Hier nun garantiert das Proll-freie Don't Get Yourself Involved. „And this is/ what happened to a friend of mine“

4.Falls man doch irgendwie involviert wurde und besser verschwinden sollte, dann bieten Last Days die passende, ehm, Marschmusik an. Reasons To Go folgt einem ganz interessanten Ansatz: elektronische Musik, die mit möglichst vielen organischen Elementen gemischt wird. Klingt dann ungefähr so, als würde man ein Radio auf eine Wiese stellen, Wiedergabe drücken und das wiederum mit einem zweiten Recorder aufnehmen. Darf man eigentlich Kritik vermuten, wenn eine Band ihr Album mit dem Cover, welches eine wunderschöne Landschaft zeigt, These Places Are Ruins Now überschreibt? Dacht nur gerade so.

5.Ich vergaß in der Einleitung ganz die wohl traurigsten Popsongs überhaupt. Die haben wir Radiohead zu verdanken. Let Down ist einer davon. Zum im Dunkeln weinen, ganz schüchtern und sich dann freuen, dass man das überhaupt noch kann. Auch Traurigsein ist manchmal schön.

6.Gustav versucht genau das Gegenteil: Traurige Dinge in an sich schöne Musik zu verpacken. Ich bin beruhigt, dass sich der Hype um sie wieder gelegt hat (war ja nicht auszuhalten: Die Zeit, Intro, etc.). Verlass die Stadt dürfte unbestritten der Schlüsseltitel des aktuellen Albums sein und wie Recht sie hat, hört nur: „Ist nur ne Frage der Zeit/bis auch hier der nächste Stadtteil brennt/.../Mach die Augen zu/Und wünsch mich ins Zentrum der Leidenschaft zurück/ Die Seele brennt wie auch all der Orte Straßen/ Es ist Zeit diese Stadt zu verlassen“.

7.Call It A Ritual könnte ja fast der Song fürs Mixtape auf CD schlechthin sein. Ein schönes Ritual, Monat für Monat und Spencer Krug + Band haben auch beim letzten Album ganze Arbeit geleistet. Ein sperriges, anspruchsvolles Indie Rock-Album, das total ernsthaft rüberkommt. Bin wirklich beeindruckt.

8.Äußerst beeindruckt bin ich auch von Souleymane vom Orchestra Baobab aus Bamako, Mali. Das ist ein Titel, der mir wirklich die Sprache verschlagen hat, so vielseitig und immer auf der Kante zwischen richtigem Song und Quatschnummer. Dahinter steckt aber ordentlich Arbeit, klingt nämlich überhaupt nicht so, als kämen die Drums ausm Keyboard respektive Drum Computer. Waren also noch echte Musiker am Werk dafür. Ich würde, glaube ich, tatsächlich gern mal Afrika für ein halbes Jahr bereisen wollen. Kommt wer mit?

9.Es tut mir Leid, sicher gehe ich manchen schon auf die Nerven, aber es gibt Musik, die verdient einfach mehr gehört zu werden. Das ist der Fall bei The Royal Family And The Poor. Der Mann (Mike Keane) ist genial. Er schafft alles vom krass neuartigen EBM/Industrial-Song über okkulte Ritenmusik bis hin zu verträumten Nummern ala Cocteau Twins (wie der aktuelle Titel Visions). Wie so oft steckt auch hinter jener EBM/Düster-Schale ein zartfühlender, intelligenter, aufrichtiger Musiker. Es fällt mir total leicht zu sagen: RFATP sind über Nacht in die Reihe meiner Lieblingsbands aufgestiegen. Auch textlich kann ich gar nichts hinzufügen: „Strange as it may seem/ we will live our fantasy“

10.Wo ich doch gerade über düstere Sachen sprach, möchte ich noch eine griechische Band vorstellen, die sich im Bereich ganz dichter, mystischer Musik betätigt. Sie heißen XarkaneX und haben gerade ihr erstes Album festgestellt und offensichtlich eine Sängerin mit sehr, sehr guter Ausbildung. Vorstellen, wie man solche Musik in Griechenland aufführt, kann ich mir auch schon: Man installiert rote und gelbe Scheinwerfer und lässt die Band in einem alten Amphitheater spielen. Bestimmt ganz bewegend.

11.Suede sind auch wieder so eine Band die man viel zu selten hört. Egal worüber die Singen, immer sagen die wirklich etwas aus. Darüberhinaus wissen sie auch, wie man singt und spielt – angesichts der Schnuffel-Hitparadenhasen und der Ich-Bin-im-TV-also-bin-ich-Künstler-Eintagstalente eine echte Ausnahme. Fängt ruhig an und wird – wie so viele Suede-Songs – zu einem Juwel: My Dark Star.

12.Bei Last Days meinte ich vorhin, die würden versuche organische Elemente in ihre Titel zu mixen, bei Swod (übrigens aus Deutschland) ist das etwas anders. Die beschäftigen sich auch viel mit Organik aber machen das alles über elektronische Geräusche. Finde aber dennoch, dass Deer gar nicht so weit weg ist von Reasons To Go.

13.Verdammt, verdammt! Rufus ist einfach Mal der Gott. Neulich gab es eine kleine Privatparty in Berlin. Das Motto: Rettet den Planeten. Rufus zog die Sicherung der Wohnung heraus, Kühlschrank aus, Licht aus, Klingelanlage aus. Er ging ab und an runter um seine Gäste hereinzulassen. Konsequent, wie der junge Mann ist, ließ er nur die Gäste rein, die über Vorhandensein eines Fahrrades oder Nichtbesitz eines Autoschlüssels nachweisen konnten, dass sie per Rad oder zu Fuß angereist waren. Später am Abend gab er einige Titel zum Besten und bat bei Kerzenschein darum, jeder möge jetzt notieren, was er/sie künftig zum Schutze der Umwelt tun möchte und jene Notiz später an eine Pinnwand heften. Such a Beautiful Child, ja wohl!

14.Wo wir gerade bei Zuneigungsbezeugungen sind: The Only One ist auch eine solche. Das dürfte der expliziteste The Cure-Song in dieser Hinsicht sein, schätze ich. Genial, wie Smith alle Ebenen der Liebe abdeckt: I love what you to head [ganz emotional abstrakt], I love what you do to my lips[romantisch erotisch], I love what you do to my hips [gegenständlich sexuell]. Stammt vom neuen Album, das am 13. September erscheint.

15.Das Internet ist schon eine tolle Erfindung. Man kann beispielsweise einen Live-Mitschnitt des Interpol-Konzertes aus dem Teatro Caupolican finden. Ich bin richtiggehend geflasht: Das Konzert muss der Hammer in Punkto Leidenschaft und Intensität gewesen sein. Wie bedacht und dosiert die alles einsetzen, boah. Bei diesem Song kann man die Anlage ruhig mal richtig laut drehen. Das war sicher eine total schöne Show, mit lila Licht, Nebel und raumfüllenden Klängen und, ehm, niedlichen Latinos :D

16.Auch zum verzweifeln heiß: Richard Ashcroft. Der Mann hat eine Stimme, da möchte ich mich wieder schrittweise entkleiden. Himmel, dann sitzt der auf den Pressephotos auch noch mit großer Sonnenbrille und schönen gelockten dunklen Haaren lässig da. Zusätzlich ist der auch noch intelligent und war neulich erst in Glastonbury, wo er gleich mal Jay Z (irgend so ein Gangster-Rapper) zur Schnecke machte. Tja, Music Is Power.

17.Und nicht nur das: Music is love und Love Is Noise. So wahr! The Verve zurück mit neuem Album Ende Juli. The Verve haben mit diesem Song so Recht. Liebe sind Synapsen, die im Kopf durchknallen, ein Bauch, der sich immerzu verkrampft. Vielen Dank für die Musik zum wohl intensivsten Gefühl überhaupt.

18.Apropos intensiv: Einmal (intensive) Weltmusik habe ich noch. Neulich hörte ich einen Vortrag über Trommel-Orchester am burmesischen Königshof und das hier ist einer der berühmtesten Interpreten. Die Konzerte werden reichlich mit Maskentheater untermalt und gingen bis vor 20 Jahren durchaus mal über 5 Nächte. Mich fasziniert diese Musik wirklich sehr, sie ist so ganz anders als alles in Europa. Einzig die Übersetzung des Titels in Enchanting Lake Of The Elephant scheint mir ein Wenig, ach, naja, daneben gegriffen, denn es fällt mir schwer, sie ernst zunehmen.

19.Das ist der letzte: NaNa von Wizo. Punk im 21. Jahrhundert klingt immer noch wie Punk Anno 1970, which is no complaint. Im Gegenteil, mit dem, was sie singen, haben die Jungs von Wizo ja Recht. „Dann bin ich froh, dass ich nicht bin, wie all die anderen sind, denn deren Werte und Moral sind mir scheißegal.“

In diesem Sinne, erhaltet euch schön den für die kritische Betrachtung nötigen Abstand.
Grüße, Peter.

Dienstag, Juli 15, 2008

Mixtape auf CD 07/2008 - 19 Factory Records Tracks


(Fotografie: Manchester von http://duophonix.deviantart.com/)

Fire So Close (19 Titel, 79:41 min)

Titelliste

01. "White Life" - The Names | Spectators Of Life | 2001 (3:03)
02. "Funky Munky" - Northside | Chicken Rhythms + Extras | 2005 (3:11)
03. "Angel Dust" - New Order | Brotherhood | 1994 (3:44)
04. "A Gentle Sound" - The Railway Children | Gentle Sound | 2003 (4:00)
05. "N'Sel Fik" - Fadela | Palatine - The Factory Story / 1981-1986 / Vol. 2 / Life's A Beach | 1991 (7:11)
06. "Fire So Close" - James | Jimone | 1983 (1:48)
07. "Sex Machine" - Crawling Chaos | The Gas Chair | 2003 (5:39)
08. "Seven Reasons" - Revenge | Palatine - The Factory Story / 1979-1989 / Vol. 3 / The Beat Groups | 1991 (4:07)
09. "Electricity" - Orchestral Manoeuvres In The Dark | Live At Leigh Rock Festival '79 | 2006 (3:53)
10. "Low Rider" - Quando Quango | Pigs + Battleships | 2003 (4:29)
11. "Compressor" - Biting Tongues | Compressed (The Factory Recordings 1984-1987) | 2003 (4:51)
12. "Sudan" - Thick Pigeon | Too Crazy Cowboys | 2003 (4:16)
13. "Sex Goddess" - The Royal Family And The Poor | We Love The Moon | 2003 (5:21)
14. "Stains (Useless Body) (Live 13.8.1981)" - The Durutti Column | Live In Bruxelles 13.8.1981 | 2008 (3:10)
15. "Yashar" - Cabaret Voltaire | Palatine - The Factory Story / 1981-1986 / Vol. 2 / Life's A Beach | 1991 (7:29)
16. "Isolation" - Joy Division | Closer (CE) | 1980 (2:53)
17. "English Black Boys" - X-O-Dus | Palatine - The Factory Story / 1979-1982 / Vol. 1 / Tears In Their Eyes | 1991 (4:46)
18. "Skip Scada" - A Certain Ratio | Palatine - The Factory Story / 1981-1986 / Vol. 2 / Life's A Beach | 1991 (2:09)
19. "Sparkle" - Kalima | Palatine - The Factory Story / 1981-1986 / Vol. 2 / Life's A Beach | 1991 (3:41)

Aus dem Booklet:

Liebe Musikenthusiasten,

hereinspaziert zu einer neuen Ausgabe des Mixtapes auf CD. Aus besonderem Anlass (ein Vortrag zur Halleschen Langen Nacht der Wissenschaft), scheint die Musikauswahl auf dieser CD oberflächlich betrachtet sehr homogen; alle Titel sind bei Factory Records in Manchester verlegt worden. Sieht und hört man genauer hin, stellt sich ein breites Spektrum an musikalischen Ausdrucksformen dar. Bei Factory spielten Künstler im Dunstkreis von New Order und Happy Mondays Electro-Pop (Revenge, The Railway Children) bzw. Rave-Musik (Northside), produzierten Fadela das arabische Gegenstück (Pop-Rai, algerische Popmusik) und Bands wie Kalima oder Biting Tongues sorgten für weltmusikalisch-jazzige Anteile am Label-Katalog. Einige Künstler bei Factory wollten mit ihren Texten und/oder Darstellungsformen provozieren. Unter ihnen Gruppen wie das spiritistisch-düstere Projekt The Royal Family And The Poor, deren Auftritte die Musikpresse sturmlaufen ließen. Gleiches bei der Formation Crawling Chaos; bedingt durch die expliziten Texte ihrer Songs ließen sich die Platten nicht verkaufen und Factory kündigte den Vertrag zum Schluss selbst auf. Die Reggae-Gruppe X-O-Dus hingegen kritisierte in ihren Liedern die Benachteiligung schwarzer Bevölkerungsteile im Großbritannien der 1980er Jahre. Das Label um Tony Wilson war nicht zu letzt auch die Plattenfirma, bei dem viele heute bekannte Bands begannen und inzwischen tausendfach CDs verkaufen: James und OMD beispielsweise. Dieses Mixtape auf CD ist eine kleine Auswahl aus dem – selbst 14 Jahre nach der Auflösung von Factory Records – unendlich (aufregenden) Repertoire einiger Musikvisionäre, die selbst einmal so schön sagten: You learn why you do something by doing it. Mögen sich euch hoffentlich viele der folgenden Songs auf gleichermaßen pragmatische Weise erschließen.

1. Der erste Titel stammt von The Names aus Brüssel, Belgien. Das erste Jahr nach Bandgründung völlig übersehen, gerieten sie erst mit ihrem Vertrag bei Factory Records in den Aufmerksamkeitsbereich eines größeren Publikums. Ihre Single Nightshift (darauf auch enthalten der vorliegende Titel White Life) nahmen Sie mit Martin Hannett bei Factory Records 1980 auf. Der erhoffte Erfolg blieb allerdings aus. Viele der Songs von The Names waren für Postpunk zu glatt und doch für ein Massenpublikum zu düster, zu atmosphärisch und zu rauh.

2. Ganz dem Factory-Geschäftsmodell folgend, ist der zweite Titel eine Rave-Nummer. Das zu Funky Munky gehörige Album erschien 1991 und setzt voll auf den Indy-Rave-Trend jener Zeit auf. Man nehme einen tanzbaren Takt, suche einen halbwegs passablen Frontsänger und schicke die Jungs/Mädels in schlumprigen Hosen mit Maracas (Rasseln) bewaffnet auf die Bühne. Darin waren Northside recht erfolgreich, über ihre Auftritte schreibt man, es wären ekstatische Shows gewesen. Neben ihrem Song LSD (der auch von nichts anderem handelt als der Titel verrät), geht es auch in Funky Munky („It feels so good/when what you want is in your blood/lalalalalalala“) eher um Dinge, die Glücksgefühle auslösen.

3. Neben den soeben gehörten Vertretern der Rave-Szene, war Factorys Goldesel New Order. Nach dem Freitod des Frontsängers von Joy Division formierte sich der Rest der Gruppe unter jenem neuem Namen und entwickelte rasch einen Stil, der Postpunk und Dance Music zusammenführte. Die Engländer verdanken New Order nicht nur eine Fußballhymne, sondern auch etliche Nummer-Eins-Songs. Der vorliegende Titel stammt vom 1986er Album Brotherhood und – ist wie viele New Order Songs – nicht einfach zu interpretieren. Für das Design der Hülle ist Chef-Designer Peter Saville zuständig. Er fotografierte eine Lage Titanzinkfolie ab und verzichtete auf Titel- und Interpretenangabe auf dem Cover.

4. Machen wir weiter mit The Railway Childrens A Gentle Sound. Ein Song, der wirklich hält, was er verspricht: zarte, poppig-plüschige Klänge. Das Ganze nimmt sich auch textlich richtig romantisch aus (und kaschiert völlig die Zugehörigkeit zu Factory Records). Daher verwundert es nicht weiter, dass die Gruppe rasch beim Major-Label Virgin Records anlandete und auch in Amerika Platz 1 belegen konnte.

5. Neben bodenständiger Popmusik gab es bei Factory auch algerische Töne zu hören. Fadela (Duett aus dem gleichnamigen Ehepaar) nahm 1987 die Single N'Sel Fik auf. Dem Titel heftet die Anekdote an, dass er eigentlich N'Sal Fik heißen müsste. Ein Schreibfehler der dem Fakt zugeschoben wird, dass viele Algerier zwar mündlich des Arabischen fähig waren, es aber oft schriftlich nicht gleichermaßen beherrschten. Dank Fadela hatte nun auch Manchester eine Musikrichtung (Pop-Rai) die es so damals nur im Arabischen Raum selbst und in Paris gab.

6. James begann mit der EP Jimone, auf der auch der vorgestellte Titel Fire So Close enthalten ist. Während durchschnittliche Musiktitel drei Minuten oder länger dauerten, war keiner der James-Songs auf Jimone länger als zwei Minuten. Die Lieder auch Musikalisch aus der Art geschlagen; eine Mischung aus Folksongs, mit gerufenen Worten, die wahllos aus Magazinen entnommen zu sein schienen, und einem wilden, beinahe funkigen Rhythmus aus schnellen Perkussionseinlagen und sich überlappenden Textstellen. Wenn für einen Titel dieser Band gilt, was ein Kritiker schrieb, nämlich, dass er vorbei sei, bevor er eigentlich richtig angefangen habe, dann für Fire So Close.

7. The Crawling Chaos sind ganz sicher Teil der kuriosen Seite von Factory Records. Ihre Singel Sex Machine beginnt mit der Beschreibung eines für einen jungen Mann folgenreichen Arztbesuches: „I better find a new pair of Jeans/I've been to the Doc/He's got the means/He turned me into a sex machine/He's given me a pair of enormous balls“ und wächst zu einer repetitiven, hämmernden, zuckenden, verzerrten Nummer an, die ob ihrer Obskurität dennoch im Gedächtnis bleibt. Für den NME war das jedoch nichts, der anwesende Reporter resümierte wenig schmeichelhaft: „Ineffectual doodlings on guitar and keyboards became ends in themselves. A guest singer stood at the microphone and coughed for several minutes. Nobody danced or even twitched a leg. The bloke at the mixing desk read the Evening Standard and someone next to me asked the time before falling asleep. Anyone who needs this garbage is probably already dead."

8. Mit Seven Reasons begeben wir uns wieder in etwas weniger anspruchsvolle Gefilde. Zwischen 1989 und 1992 gruppierte der New Order-Bassist Peter Hook einige befreundete Musiker aus Manchester um sich und nahm Titel auf, welche irgendwie doch sehr nach New Order selbst klingen. Insgesamt ein schöner Popsong, nicht zu letzt wegen Zeilen, wie dieser: „Its good to be young/and gifted again/to see if it all happens twice/and watch all the things/ that went wrong in my life“.

9. Electricity war die Maxime jener Zeit. Ob es sich um New Order, A Certain Ratio, kürzlich gehörte Crawling Chaos oder beinahe jede beliebig andere House-, Rave- oder Popband handelte; sie alle waren abhängig von Strom und Verstärkern. Damals noch unter Orchestral Manoeuvres In The Dark agierend, waren die die heutigen OMD offenbar schon in den 1980ern mit der Endlichkeit aller Energievorräte befasst: „All we need to live today/a gift for man to throw away/the chance to change has nearly gone/the alternative is only one/the final source of energy/solar electricity“.

10. Ein weiterer Titel, der unter Umständen einen Aha-Effekt auslöst. Kaum einer kennt Quando Quango aber Low Rider dürfte einigen schon mal untergekommen sein. Das New Wave Dance Projekt macht musikalisch große Anleihen bei lateinamerikanischen Rhythmen, dem Jazz amerikanischer Großstädte und einer Portion jener Musik, wie man sie auch bei Fela Kuti hört. Frau Dr. Hillegonda Rietveld arbeitet seit dem Ende von Quando Quango an der London University und forscht im Bereich underground dance music. Wer hätte gedacht, dass unter dem akademischen Personal auch Popstars sind...

11. Zunehmend bewegen wir uns in den Bereich der ganz stark expressiven Bands. Eine von ihnen ist Biting Tongues. Eine Gruppe von Aus Manchester stammenden jungen Männern entschied sich für die Möglichkeiten, der Wilsons allen offenstehende Club The Haçienda bot, zu nutzen. Ihre Musik, ursprünglich als Filmmusik zum Werk Biting Tongues konzipiert, war eine skurrile Mischung aus allem, was irgendwie Geräusche (respektive Krach) machte. Zusammen mit einem Perkussionisten, der so etwas wie einen Northern Soul-Rhytmus spielte, einem Sänger, der wie ein CNN-Moderator auf Drogen wirkte und einem Saxophonisten, der damit beschäftigt war, den Rhythmus zu finden, müssen Biting Tongues eine ziemlich aufregende Show abgeliefert haben.

12. Aus New York nahm Factory Carter Burwell (heute Produzent vieler Filmsoundtracks) und Stanton Miranda (bei Sonic Youth und auch Schauspielerin) mit ihrer Formation Thick Pigeon unter Vertrag. Im Gegensatz zu Biting Tongues war ihre Musik minimalistisch bei der Verwendung von Instrumenten, dafür kreierte sie eine dichte, teils alptraumhafte Atmosphäre mit geisterhaften Andeutungen der sich noch zu entwickelnden Techno-Musik. Darüber wurde noch Mirandas undeutbarer Gesang („They will never see Sudan“) gelegt. So entstand eine Platte, die auch heute noch Maßstäbe im Bereich elektronischer Musik setzt.

13. Ist es Zufall oder Vorhersehung, dass ausgerechnet Michael A. Keanes Sex Goddess den
dreizehnten Titel dieser Zusammenstellung bekommt? Vermutlich ist es einer höheren Kraft zu verdanken. The Royal Family And The Poor sind mein liebster skurriler Factory-Act. Musikalisch widerspricht dieser Titel ja wohl so ziemlich Allem, was wir bisher aus dem Factory-Katalog gehört haben, wenn es nicht gar auch dem Konzept eines ordentlichen Liedes zu wider läuft. Ein Mann rezitiert „The swarm of the night knows“, wird unterbrochen von einem Bass, der wie ein Fallbeil niederstürzt, ein Mischwesen aus Mensch und Wolf heult, schreit, kreischt „Don't leave me“. Ein furchterregender Männerchor brummt ein „ohhh“ und wird fortan unterbrochen von Jammern und Flehen. Der Bass wird hektischer und findet sich letztlich, untermalt von jenem „ohhh“, plötzlich in einen Song mit der Zeile „Sex God/Sex Goddess“. Das passiert aber erst in Position 2:20min, und erinnert zumindest ganz leicht an einen normalen Song. Viel Zeit bleibt nicht; nach 4:30min setzt der Fallbeil-Bass wieder ein und das Heulen des Mischwesens übernimmt. Songende. Willkommen in der spiritistischen Welt von Keane, dessen Lifeauftritte auch gern aus dem Verlesen selbstgeschriebener Gedichte/Texte zu einem wummernden Bass bestanden. Ein – wenn auch streitbarer – Visionär, dessen Musik sich einem einbrennt, falls man sich einlässt.

14. Zurück in etwas weniger nervenaufreibende Gefilde. Vini Reily ist der mit Abstand am wenigsten gealterte Factory-Künstler. Ein Mann, drahtig wie Iggy Pop, mit einem Gesicht, das auch jeder 25jährige tragen könnte. Die Texte, auch bei Stains, oft befasst mit Vergänglichkeit, Liebe, Unglück und auf der Suche nach Sinn. Seine stark gitarrenbasierte Musik ist wird untermalt durch seinen klagenden Gesang – schon seit genau 40 Jahren.

15. Cabaret Voltaire steuern zu diesem Mixtape auf CD noch einen Titel bei, der damals auch recht revolutionär war. In Yashar sampeln sie eine Zeile aus einem bekannten britischen Fernsehfilm („There are 70 bilion people on earth/where are they hiding?“) und mischen dazu eine Art House-Musik. Das Ganze wird auf siebeneinhalb Minuten ausgedehnt und unterbrochen von trickfilmhaften Stimmchen.

16. Kommen wir noch zu der Factory-Band überhaupt. Joy Division, eine Gruppe damals junger Mancunians, mit denen die Geschichte von Factory Records begann und die Geschichte der Gruppe eigentlich fast wieder endete. Mit dem Freitod Ian Curtis' kurz vor der Amerikatournee wandelte sich beinahe alles. Aus Joy Division wurde New Order, aus Postpunk wurde Pop. Vielleicht kann Isolation für jenes Gefühl Curtis' stehen und zugleich auch für die musikalische Andersartigkeit vieler Factory-Bands.

17. An vorvorletzter Stelle erlaube ich mir noch einen eher untypischen Factory-Titel zu bringen. X-O-Dus war eine Reggae-Band einiger junger Briten afrikanischer Abstammung, welche ihrer Reggae-Musik eine starke Protestebene verliehen. Sie sangen gegen auf Vorurteilen basierende Benachteiligung an. Zeilen wie „I went to an English school/my skin colour is black/what difference is that?“) rufen auf, längst überholte Konzepte zu überdenken. Musikalisch jetzt nichts Besonderes, aber hier ging es eher um die politische Message.

18. Skip Scada ist einer dieser etwas ulkigen Titel, die klingen, als wären sie eine Mischung aus Karnevals- und Samabtönen Südamerikas. Neben solcherlei Nummern machten A Certain Ratio oft auch House oder Electronic Music.

19. Bleiben wir doch für den letzten Titel gleich noch auf dieser Jazz-Samba-Funk-Fussionsebene. Sparkle von Kalima ist ein sprechender Song. Er ist hell, leuchtend, zuckend und unheimlich rhythmisch. Eigentlich der beste Beweis dafür, dass Factorys Katalog keineswegs nur Postpunk, nur elektronische Musik oder romantischen Pop zu bieten hatte. Im Gegenteil, wenn man nur genug sucht, dann fand sich in Tony Wilsons Sphäre irgendwie alles Erdenkliche und sogar (vormals) Undenkbare.

Sonntag, Juni 15, 2008

Mixtape auf CD 06/2008



Foreign Rendezvous (79:21, 19 Titel)

Titelliste

01. "Abgesang" - Gustav | Verlass die Stadt | 2008 | 3:57
02. "Music Now" - Frightened Rabbit | eMusic Sessions: Live At Urban Outfitters - SXSW 2007 | 2007 | 3:55
03. "Sound" - James | Seven | 1991 | 6:40
04. "Sicily" - Youth Group | Casino Twilight Dogs | 2006 | 2:10
05. "Foreign Rendezvous (Live)" - The Names | Spectators Of Life | 2001 | 4:27
06. "Juno" - Tokyo Police Club | Elephant Shell | 2008 | 2:14
07. "Til The End Of Time" - DeVotchKa | Little Miss Sunshine | 2006 | 3:57
08. "Cape Cod Kwassa Kwassa" - Vampire Weekend | Vampire Weekend | 2008 | 3:34
09. "Waalo" - Star Number One | Slow Music from Africa | 2007 | 5:50
10. "Lovers" - The Tears | Lovers | 2005 | 4:02
11. "My Time Outside The Womb" - Titus Andronicus | The Airing Of Grievances | 2008 | 2:54
12. "Gobbledigook" - Sigur Rós | Með Suð I Eyrum Við Spilum Endalaust | 2008 | 3:08
13. "Elton D'Août" - Malajube | Etienne D'Août | 2007 | 5:12
14. "Pretty In A Panic" - My Latest Novel | Wolves | 2006 | 4:19
15. "Es ist wieder Frühling" - Anajo | Hotelboy | 2008 | 2:54
16. "Every Little Counts" - New Order | Brotherhood | 1994 | 4:28
17. "Creeper" - Islands | Arm's Way | 2008 | 3:15
18. "Head On The Block" - The Mighty Lemon Drops | World Without End | 1988 | 3:38
19. "3 Seconds Of Dead Air" - The Twilight Sad | The Twilight Sad | 2006 | 8:47


Geneigtes musikinteressiertes Publikum,

herzlich willkommen bei einer neuen Ausgabe des Mixtape auf CD. Im Juni gibt es eine bunte Mischung aus kreativ verpackter Kritik am vorherrschenden Zeitgeist, ganz exquisite und auch bodenständige Rockmusik, etwas Punk findet sich und ein paar internationale Einsprenkler sind auch an Bord.

1. Den Auftakt machen wir mit Gustav. Enthusiastisches Kreischen bitte! Letzte Woche muss auch ein Redakteur bei der Zeit aufgeschreckt sein, jedenfalls fand sich in dem Blatt plötzlich ein Verweis auf Gustav. Im Grunde egal, ich und ihr alle wart eher: Wir kennen Gustav schon seit ihrem ersten Album von 2004. Gerne erkenne ich an, dass Gustav in dieser Zeit um Welten politischer, bissiger, allerdings musikalisch auch unbequemer geworden ist. Hier nun die kongeniale Eva Jantschitsch mit ihrem Abgesang. Recht hat'se, leider. Eine CD, die in keinem feministisch eingestellten Haushalt fehlen darf. Etwas (bissig-kritischen) Text gefällig? „Ich habe beschlossen/ich gehe konform/ich stelle mich richtig/und entspreche der Norm/ich wollte viel ändern/und die Jahre sie vergehn/und ich hab nichts bewirkt/und es blieb alles stehn“

2. Manchmal denke ich, Musiker schreiben ihre Titel explizit für mein Mixtape. Wie sonst soll man Music Now von Frightened Rabbit sonst erklären? Ich lege meine kulturwissenschaftliche Herangehensweise ab und wir genießen einfach ein Stück schottischer (genauer Selkirk) Musikszene auf Tour im imperialistischen Ausland (USA). Auf dem SXSW-Festival (woher auch diese Aufnahme stammt) stellte her und erklärte der Frontsänger die Beziehung zwischen Bob Dylan und einem Stück Fledermauskot. Das alles sehr einleuchtend, vielleicht auf dem nächsten Mixtape.

3. Da stellen sich mir wohlig die Nackenhaare auf. Der James-Virus ist echt gefährlich, hört man einen Song, will man irgendwie mal alle kennenlernen. Hier haben wir Sound vom charmanten Mann aus Manchester. Das dazugehörige Album Seven läuft bei mir rauf und runter. James rockt! Bleiben mir nur noch die Zeilen „Do everything you fear/In this there’s power/Fear is not to be afraid of/Laugh at the wonder of it all/Laugh so loud you break your fall.“

4. Jetzt kommt mal was Gefühlsschwangeres: Youth Groups Sicily ist repräsentativ für eine musikalisch in sich stimmige aber nicht besonders aufregende Platte. Dennoch, die Vorstellung ist sehr schön: „Babe, let's move to Sicily./Just you and me/and the Mediterranean Sea./I'd work on a scallop boat,/that would keep us afloat,/the sun would burn my throat./You'd lie beneath the shade
writing songs all day/give them to the summer haze“ und mal ehrlich, wann hatten wir zuletzt eine so schöne Textzeile: „writing songs all day/give them to the summer haze“, hm?

5. Foreign Rendezvous mag ich persönlich ja sehr gern. The Names aus Belgien klingen ein wenig wie The Cure, und letztlich funktioniert der Song auch nur über den Refrain. Also, geben wir uns den Besuchen und Besuchern außer Haus hin und schwelgen :-)

6. Meine hochgeschätzen Tokyo Police Club: Nach ihrem A Lesson In Crime dachte ich, es ginge nicht mehr höher hinaus und nun doch. Das Album Elephant Shell ist so toll, ein Rockalbum, das so richtig läuft und doch nicht zu hektisch ist. Der Frontsänger hat ne unglaublich erotische Stimme, finde ich toll. Ihr hoffentlich auch. Interpretationsansätze könnte hier vielleicht das geschätzte Publikum liefern, habe keine Ahnung was/wer hier besungen wird.

7. Die magische Titelnummer geht an einen magischen Song. Til The End Of Time ist der wohl rührigste DeVotchKa-Song überhaupt. Kostprobe: „And look at you and me still here together/There is no one knows you better/And we've come such a long long way/Let's put it off for one more day“. Der Song stammt übrigens vom Soundtrack zu Little Miss Sunshine, ein wirklich bezaubernder Film, muss man unbedingt mal gesehen haben.

8. Hinter diesem Lied versteckt sich eine Menge. Das Funktionsprinzip ist so, wie bei den Pulp-Songs, wenn sich jemand erinnert: leichtfüßige Musik, kritischer oder mindestens sozial reflektierender Text. Fangen wir also an: Cape Cod Kwassa Kwassa. Der Titel ist eine Referenz zu einem Badeort für Wohlbetuchte in Massachusetts, Kwassa Kwassa ist ein afrikanischer Tanzrhythmus, der von Peter Gabriel in den 1980er Jahren oft verwendet wurde (daher auch die Referenz). Jetzt ist es günstig zu wissen, dass Vampire Weekend aus einem eher linken College-Hintergrund kommen und Statussymbolen und Designermarken (Vuitton, Benetton etc.) eher ablehnend gegenüberstehen. Obgleich die Umgebung unserer implizierten Protagonisten sicherlich reizvoll wäre, dreht sich der Lebensinhalt um die ordentlich gemachten Betten und perfekt sitzende Sweater. Doch es lässt sich auch mit United colors of Benetton keine Erweiterung des eigenen geistigen Horizontes erkaufen und noch weniger Multikultur in der Einkaufsmeile erwerben. Alles, was bleibt, ist die Flucht in stupide Sexualität und ein unnatürliches Gefühl. Großartiges Lied, das ich gern mit euch teilen wollte.

9. Und da im vorigen Titel auch afrikanische Rhythmen anklangen, gibt es jetzt noch Weltmusik: Star Number Ones Waalo von dem wirklich schönen Mixtape betitelt Slow Music From Africa. Der Titel ist wie Lezamas Barock-Roman: Hier geht es um den Schmuck, hier geht es um die fein gezupfte Kora und das verheißungsvolle Knacken des Vinyls.

10. Suede sind zurück, heißen jetzt halt The Tears – ist mir alles recht, so lange Butler und Anderson wieder zusammen singen. Das Resultat kann sich sehr wohl hören lassen. Lovers, ein Song nicht nur für LiebhaberInnen: „Cause we are the lovers, we are the lovers/We're different colours but we stand up as one/“. Das wäre also die Vorstellung globalen Verständnisses zu Ende geträumt.

11. Dem Rock folgt der Punk auf dem Fuße. Titus Andronicus klingen ein wenig wie Conner Oberst als Leadsänger einer ziemlich coolen Rockband. Solcherlei Vergleiche taugen natürlich gar nicht viel, muss man einfach hören. Ein tolles, energetisches Album, welches eine Geschichte erzählt, nicht optimistisch aber hey, das Leben ist auch nur selten eine Frohnatur. „That's when I learned, in Glen Rock/everybody calls a spade a spade/I couldn't fool anyone/I couldn't even fool myself/I was just another book on the shelf/nothing else.“

12. Aus dem neuen Album von Sigur Rós habe ich noch den Titel Gobbledigook ausgesucht. Das neue Album trägt den verheißenden Titel: Með Suð I Eyrum Við Spilum Endalaust. Klingt unheimlich nach Animal Collective (not that this is a complaint...). Was singen unsere Isländer? Lalalalalalalalalala – endlich mal ein Text, der auch nach mehreren Bier bequem mitzusingen ist.

13. Bleiben wir doch gleich noch etwas im Norden, hier noch ein paar sehr schöne junge Männer aus Canada: Malajube mit dem Titel Elton D'Août. Ein Song von der EP und ich mag Franzosen einfach. Ich habe keinen Ahnung, was die hier singen aber es klingt schön nach Sommer. Lerne ich, wenn ich Arabisch kann. Übersetzungen/Lieddeutungen willkommen, wie immer an meine E-Mailadresse.

14. Da ich gerade eine Phase extremer Glasgow-Sucht durchlebe, hier noch eine Band aus dem Umfeld von The Twilight Sad. Sie heißen My Latest Novel und klingen für mich sehr nach Arcade Fire. Ganz wundervolle Kompositionen auf dem Album Wolves, neben dem vorgestellten Titel Pretty In Panic ist noch When We Are Wolves genial. Kann man sich durchaus kaufen, wenn die Neon Bible oder Funeral bereits textsicher mitgesungen wird.

15. Wo wir gerade von schön sprachen, musste ich an meine Lieblingsaugsburger denken: Anajo. Maaan, der Herr Gottwald kann Texte, die ultrakitschig sind, in wahre Perlen verwandeln. Dass Anajo eine der wenigen Deutsch-Pop-Bands sind, die auch noch deutsche Standardsprache fehlerfrei verwenden können, stellten wir ja bereits vor einem Jahr in diesem Medium fest. Schön, dass sich das gehalten hat und nun kann/soll der Sommer kommen.

16. Wie versprochen hier nun ein weiterer Titel von New Orders ersten drei Alben. Diesmal von Brotherhood. Der Song heißt Every Little Counts und was man sicher sagen kann, ist dass einzelne Textpassagen beim Singen plötzliche Lachanfälle provozieren. Was aber nicht von ungefähr kommt: „Every second counts/When I am with you/I think you are a pig/You should be in a zoo“.

17. Gegen Ende präsentiere ich nochmals etwas aus Canada. Diesmal die Islands mit ihrem wirklich genialen Song Creeper. Ich finde, das ist ein sehr atmosphärischer Titel, kreiert so eine Spannung, die schwer zu beschreiben ist, zumal ich auch noch nicht ganz sicher bin, in welche Richtung das Ganze textlich geht.

18. Als vorletzten Titel noch eine Nummer von vier, damals sicher sehr nett anzusehenden Jungs in Röhrenjeans und Lederjacken: The Mighty Lemon Drops aus den Midlands. Was zunächst klingen mag wie ein Bunnymen-Cover entwickelt durchaus eigene Dynamik. Head On The Block hat für mich auch noch eine Spur BRMC. Insgesamt eine schöner Song von einem noch viel stimmigeren Album. Aber das war eben Ende der 1980er, da gabs das Album als Konzept auch noch...

19. Der Rausschmeißer auf diesem Mixtape ist fabelhaft. Jetzt wäre der Moment um die Stereoanlage ganz laut zu drehen (so das denn noch geht), sich davor zu setzen und die Augen zu schließen. So, liebe Leute klingt großartige Rockmusik aus Glasgow, klingen The Twilight Sad. Und das, das darf man jetzt acht Minuten lang genießen. Aus musikalisch-ästhetischer Sicht ein absolutes Understatement, einen solchen Song, mit 3 Seconds Of Dead Air zu benennen. Euch weiterhin erhellende Momente und Erkenntnisgewinne. Bis zum nächsten Mixtape auf CD.

Donnerstag, Mai 15, 2008

Mixtape auf CD 05/2008




The Clockwise Witness (19 Titel, 80:53)

01. "Tumbling Down (Dead. Mono Version)" - Eskobar [Til We're Dead, 2000] 3:36
02. "Dark Leaves Form a Thread" - Destroyer [Trouble In Dreams, 2008] 3:36
03. "Babies" - Pulp [Intro. The Gift Recordings, 1993] 4:05
04. "Groupmegroup" - Liquid Liquid [Rough Trade Shops - Post Punk 01, 2003] 3:18
05. "Age of Consent" - New Order [Power, Corruption & Lies, 1986] 5:16
06. "Saman Me" - Yamoah's Band [Slow Music from Africa, 2007] 4:23
07. "I Worship The Sun (Album Version)" - Felt [Crumbling The Antiseptic Beauty/The Splendour Of Fear, 1986] 4:16
08. "Wedding Song" - The Psychedelic Furs [The Psychedelic Furs, 1980] 4:20
09. "Temptation" - Heaven 17 [Trainspotting #2, 1997] 3:05
10. "Disco Sheets" - Wolf Parade [Wolf Parade, 2005] 2:59
11. "Haystack" - Kevin Hewick & New Order [From Brussells With Love, 1980] 3:39
12. "étrange comme je taime" - DobaCaracol [Étrange comme je taime, 2007] 3:37
13. "Oxygen" - JJ72 [JJ72, 2000] 3:42
14. "Nightshift (Live)" - The Names [Spectators Of Life, 2001] 3:20
15. "Clarion" - Guillemots [Red, 2008] 4:04
16. "The Clockwise Witness" - DeVotchKa [A Mad & Faithful Telling, 2008] 4:37
17. "Booboo Man (Mama, Look at Bubu)" - Lord Melody [Calypso Awakening from the Emory Cook Collection, 2000] 4:22
18. "Running The World" - Jarvis Cocker [Jarvis, 2006] 4:47
19. "Light My Fire" - The Doors [30 Years Commemorative Edition, 2001] 9:42

Aus dem Booklet:

Liebes musikinteressiertes Publikum (jaaa!),

nach etwas mehr als einem Jahr Mixtape auf CD habe ich eine gender- und geschlechtspezifisch verhakelungsfreie Anredeformel gefunden, Yipeee! Ganz euphorisch gibt sich diesmal auch die Musikauswahl. Nachdem sich meine CDs, wie ich neulich erfuhr, auch als Weitergaben auf Kassette an Freunde großer Beliebtheit erfreuen, versuchen wir heute mal gutgelaunte aber keinesfalls oberflächliche Frühlingsmusik. Im beiliegenden Fragebogen, würde ich gern wissen, wie die Mixtapes auf CD bisher bei euch so ankamen. Vielen Dank fürs Ausfüllen an dieser Stelle.

1. Los geht es mit den charmanten Jungs von Eskobar. Ihr gewichtig betiteltes Album "Til We're Dead" bietet eine konsistente Auswahl mehr oder minder gefühlsbezogener Popsongs, unter denen mir Tumbling Down (Dead. Mono Version) als geeignet erschien, diese CD zu eröffnen. Kommen wir also erstmal runter.

2. Ans Runterkommen schein Dan Bejar aka Destroyer noch lange nicht zu denken, seine Diskographie umfasst mal eben 7 Alben in 8 Jahren. Das der Kanadier dabei alles andere als langweilig wird, zeigt Dark Leafs From A Thread; immer singt er kleine Juwelen von Geschichten, immer irgendwie seltsam aber doch verständlich zugleich. Und ich mag seine sehr markante Stimme und den poppigen Charakter der Songs, manchmal fast hymnisch.

3. Ich wünsche manchmal ich wäre älter, so knapp 10 Jahre vielleicht. Ich würde in der Zeit zurückreisen um Jarvis Cocker mit Pulp auftreten zu sehen und Songs, wie Babies, live mitzuerleben. Für den Moment bleibt mir nicht mehr als auf die soziokritischen Bezüge in Pulps Texten hinzuweisen; immer geht es in einer Weise um Kids aus den britischen Vorstädten, semibiographische Kindheitserinnerungen und dergleichen mehr untermalt mit überbordender Popmusik: "And she came round four/and she was with some kid called David/from the garage up the road."1

4. Gerade haben wir gesehen, wie Popmusik über kritische Texte Aufsehen erregt, hier jetzt der Umkehrfall: Aufsehen durch ungwöhnliche Musik. Liquid Liquid, eine post-punk-Formation aus New York, aktiv zwischen 1980 und '83 bringen eine fast schon weltmusikalisch anmutende Nummer mit dem etwas sperrigen Titel Groupmegroup. Zwischendrin viel Perkussion und ein Text, der mich persönlich an The Godz denken lässt, was letztlich nicht von ungefähr kommt, waren The Godz ja stilprägend für dieserlei Punkmusik2.

5. Gut, zurück nach Großbritannien: Nachdem sich mir über Nacht New Order erschlossen haben, bin ich selbsterklärter Riesenfan ihrer ersten 3 Alben. Häppchenweise gibt es jetzt ganz besonders gute Titel daraus in den kommenden Monaten. Diesmal habe ich Age Of Consent herausgesucht. Einerseits ein Lovesong ("And I'm not the kind that likes to tell you/ Just what I want to do/I'm not the kind that needs to tell you/Just what you want me to."3), andererseits auch die musikalische Umsetzung des Problems, einer durch Minderjährige angeregten Liebesbeziehung zu Erwachsenen: Wie sich verhalten, was tun, was nicht? "You're not the kind that needs to tell me/About the birds and the bees/Do you find this happens all the time/Crucial point one day becomes a crime."4

6. Schauen wir doch mal, was uns zu Westafrika so einfällt. Da hätten wir ein paar erdölproduzierende Länder, ja, gut, nicht übel, eine ganze Hand voll Megacitys, Urwälder, Elfenbeinküste, ungelöste politische Konflikte und Musik. Dass die Westafrikaner nicht nur Reggae oder/und Hip Hop können, sondern auch sehr interessante, bodenständige Folklore mit einem Hauch Popmusik machen, hat mir dieser Tage das Mixtape Slow Music From Africa bewiesen. Für alte und neue Freunde afrikanischer Musik hier nun Saman Me von Yamoah's Band.

7. Dass nun Felt mit I Worship The Sun folgt, trifft sich ja ganz gut, wo wir gerade musikalisch noch in sonnigen Gefilden weilten. Felt ist eine englische Band aus den 1980ern, heute zu Unrecht etwas vergessen, immerhin leben sie aber in den Songs von Belle & Sebastian beispielsweise weiter. Für mich klingen sie auch nach The Durutti Column und stimmlich denke ich gelegentlich an einen Jarvis Cocker. Das Werk liest sich witzig: 10 Jahre Bandgeschichte, 10 Singles, 10 Alben - ich wünschte, das würde man auch über mich sagen.

8. Die folgende Spitze kann ich mir nicht verkneifen: Dies ist mein Song für alle Heiratswilligen. Abgesehen davon, dass die Jungs von The Psychedelic Furs absolut super aussehen und auch wieder hocherotisch singen, hält Wedding Song noch sympathische Textstellen bereit: "make a line of useless women/make a line of useless men/love me love me love me love/again again again again/we're useless/we're useless/completely."5

9. Hochzeiten bedeuten ja auch immer etwas Kitsch und Kitsch, so habe ich neulich erst wieder behandelt, ist die unterste Stufe der Populärkultur und bedient über kapitalistische Verwertungsmechanismen unsere Emotionen, gehört somit hier direkt hinter die Hochzeit. Bei Heaven 17s Temptation frage ich mich oft, waren die 1990er wirklich so schrecklich? Damals klang das gar nicht SO furchtbar. Sei es drum, außergewöhnlich ist eine Bewertung, die in beide Richtungen der ästhetischen Skala funktioniert...

10. Auschließlich einseitig lassen sich die Werke aus der Feder Spencer Krugs bewerten und folglich bin ich ganz zappelig in Hinblick auf das neue Wolf Parade-Album im Mai. Für die Zwischenzeit habe ich uns Disco Sheets von der EP rausgesucht.
"everybody got their lid on tight/everybody says come with me/i'm easy and then we'll see/ who's got the secrets/so if you're looking for romancing/i've got answers /with dancers that will never say come with me"6 ergo: nimm mich, ich habe immerhin das Versprechen auf ne Romanze, alle anderen wollen dich nur flachlegen.

11. Wer nun Lust auf Romantik bekommen hat, dem kann mit New Orders Haystack geholfen werden. Man male sich aus, man selbst + PartnerIn werfen sich ins Heu und tun, was Verliebte halt tun. Dazu der gefühlsschwangere Singsang von Bienen, Vöglein und frischer Luft.

12. Und wo wir gerade bei so positiven Sachen sind, gibt es noch die buntkulturelle Mischung von DobaCaraco, die mal abwechselnd auf Portugiesisch, Spanisch, Englisch und Französisch singen. Eine Gruppe aus Kanada mit dem Zeug für den Sommerhit, die auf dem Cover mal eben nackt posiert, obgleich es sich nur um jugendfreie Rückenansichten handelt. Ist halt noch kein Hochsommer...

13. Im Hochsommer der Gefühle befindet sich meine emotionalste Gruppe schlechthin: JJ72. Ich liebe sie für ihre "weichen Knie". Kein Album in der letzten Zeit hat mich emotional so erfasst. Wenn Mark Greaney sich verausgabt, leide ich gleich mit und ich kann voll verstehen, dass man dann keinen Sauerstoff braucht, dann heißt das Oxygen nämlich Gefühl durch Musik. Herrlich und so authentisch.

14. Auch authentisch, weil live sind The Names. Als beglischer Factory-Emporkömmling der 1980er hat sich zeitlebens leider nie jemand so richtig für sie interessiert. Das kann nicht wieder gut gemacht werden, aber immerhin hat Nightshift locker das Zeug zum Ohrwurm. Vielleicht ist nächsten Monat Platz für ihr Foreign Rendezvous, gleichermaßen cool.

15. Über die Guillemots müsste ich Bücher schreiben. Ich will versuchen, kontrolliert von Clarion und ihrem neuen Album Red zu schwärmen. Also Clarion weil dieser Beat so subtil ist und weil Clarion eine geniale Synthese aus den ganz perkussionslastigen Titeln des neuen Albums und dem bewährten Stoff des alten ist. Darüberhinaus schätze ich die positive Musik und die manchmal endlos traurigen Texte. Vermutlich liegt diese Mischung am Einfluss Herrn Magrãos...

16. Bleiben wir doch gleich auf dem amerikanischen Kontinent; DeVotchKa aus den Vereinigten Staaten betreiben eine äußerst angenehme Mischung aus Balkanrythmen und anglophonen Texten. In The Clockwise Witness könnte es textlich um das Ende einer Liebesbeziehung gehen, aber letztlich weiß das nur der Künstler selbst. Lauschen wir also einfach diesem Song und machen uns individuelle einen Reim darauf. Ich liebe diesen Rhythmus hier.

17. Lord Melody habe ich echt ins Herz geschlossen. Völlig unvorbereitet kam eines Tages im letzten Jahr der Calypso zu mir, er suchte mich geradezu heim. Seitdem kann ich tun was ich will, meine Sammlung Calypso vergrößert sich ständig. Lord Melody ist einer DER Interpreten dieses oftmals so herrlich (selbst-)kritischen Genres. Booboo Man ist beinahe schon Kabarett, halt nur aus der schwarzen Kultur und umwerfend bissig. Was auch herrlich ist, ist wie das Publikum mitgeht und Lord Melody rumalbert. Calypso ist so herzlich, toll.

18. Auch von Herzen aber aus ganz anderer Ecke kommt der vorletzte Song. Jarvis Cocker präsentiert uns in Running The World noch ein Mal die Wahrheit auf dem Silbertablett:
"If you thought things had changed /Friend, you'd better think again /Bluntly put, in the fewest of words:/Cunts are still running the world."7 besonders wahr ist auch: "The free market is perfectly natural/Do you think that I'm some kind of dummy?/It's the ideal way to order the world."8 Dem bleibt nichts hinzuzufügen außer:

19. "Try now we can only loose and end up a funeral pyre" In diesem Sinne möge sich mit The Doors' Light My Fire (auf standesgemäße 9:42min psychedelische Perfomance ausgedehnt) auch euer Feuer irgendwo, irgendwie und irgendwann in erhellenden Momenten entzünden. Beste Grüße hinterlässt Peter.
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1 Und sie kam gegen vier/und war zusammen mit einem Kid genannt David/von der Garage gleich die Straße rauf.
2 Vergleiche die Ausgabe Punk On New York's Lower East Side.
3 Und Ich bin nicht derjenige der dir sagen möchte/was ich gern tun würde/Ich bin nicht derjenige, der dir sagen muss/was du mich verlangst zu tun.
4 Du bist nicht der/diejenige, der/die mir über/die Vögel und Bienen reden muss/Du denkst, dass passiert die ganze Zeit/Der entscheidende Punkt: eines Tages wird es eine Straftat.
5 stellt eine Schlange von nutzlosen Frauen auf/stellt eine Schlange von nutzlosen Männern auf/lieb mich lieb mich lieb mich/wieder wieder wieder wieder/wir sind nutzlos/wir sind nutzlos/gänzlich.
6 Alle halten sich bedeckt/jeder sagt komm mit mir/ich bin einfach und wir werden sehen/wer die Geheimnisse hat/wenn du also nach einer Romanze suchst/habe ich die Antworten/mit Tänzern die niemals komm mit mir sagen werden.
7 Wenn du dachtest, die Dinge hätten sich geändert/Freund, dann denkst du lieber noch einmal/brüsk gesagt, in den wenigsten Worten:/Schlampen regieren noch immer die Welt.
8 Der freie Markt ist ganz normal/Glaubst Du Ich bin so etwas wie ein Dummkopf?/Es ist die ideale Weise die Welt zu befehligen.