Manchmal ist es ziemlich vertrackt. Man gewöhnt sich zu schnell an gewisse Dinge. Heute verstehe ich die Angst vor der Gewohnheit. Die Angst, die einsetzt, sobald man eine lieb gewonnene Gewohnheit nicht mehr genießen kann. So eine Angst fängt bei Belanglosigkeiten, wie dem Haarshampoo, welches man immer so mochte, das es aber jetzt auf einmal nicht mehr gibt,an, steigert sich in blanken Schmerz, wenn es um den Verlust von Menschen (sei es durch Wegzug oder gar Tod) oder der gewohnten Umgebung geht.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Gewohnheit ist ein Laster und dennoch versucht man schon Kleinkindern Gewohnheit und feste Abläufe zu bieten. Warum tun wir einander das an?
Ist es den Preis wert, den wir bezahlen müßen, wenn wir Gewöhnung zu gelassen haben und diese uns plötzlich verloren geht oder genommen wird? Hat man denn genug Zeit sich von manchen Dingen gebührend zu verabschieden?
Hat man Zeit, der Wohnung, dessen schiefe Wände man gehasst hat und nun schmerzlich vermißt, gebührend zu zeigen und zu sagen: „Ich gehe nun, danke für Alles.“? Deren Wände man gestrichen hat, mit Fotos verziert hat und deren Geruch man so gut kannte. Zwar konnte man ihn oftmals nicht genau beschreiben, aber es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass man hier – wo es so riecht – zu Hause zu sein oder einst war.
Sicher, man könnte alles fotografieren, man könnte Skizzen machen oder alles auf Video aufzeichnen. Aber keine dieser Aufzeichnungen wäre auch nun annähernd so gewaltig, wie das, was wir empfinden, wenn wir unsere Gewohnheiten vermissen.
Ich habe mir beim Aus-/Umzug von Leipzig nach Halle nicht viel Zeit genommen. Von einem auf den anderen Moment hat sich mein Umfeld verändert. Plötzlich war meine Umgebung in Leipzig und ich in Halle. Ich war sozusagen out-of-place. Es ist ein beschissenes Gefühl, zunächst nirgendwo daheim zu sein. Wenn die Macht der Gewohnheit einem mit jeder Sekunde mitteilt, dass hier eigentlich nichts so ist, wie es dort einst war.
Personen die man täglich sah, waren plötzlich weg. Ja, der gewohnte Rhythmus fehlte einfach.
Beim Auszug meiner Mutter und Oma aus unserer Wohnung habe ich viel mit geholfen. Längst nicht so viel wie ich gewollt hätte aber das ist nun nicht mehr zu ändern.
Aber ich habe eines getan: Ich habe mich in mein leeres Zimmer gesetzt. Dort wo nun nur noch meine alte Bettwand und meine Liege noch standen, habe ich mich hingesetzt. Ich wollte nichts anstößiges tun, lediglich mich von diesen Wänden, die so viel mit mir geteilt haben, verabschieden. Da saß ich nun, um mich herum kahle Wände. Ich habe es mir einfach besorgt. Was soll ich sagen?
Dieser Moment des Abschieds von Gewohnheiten sollte nichts trauriges haben. Vielleicht war es unterschwellig der Gedanke, eine Art Liebesbeweiß für diese Wände.
Mittlerweile bin ich auf dem Standpunkt, dass es nichts schlimmes ist, alten Gewohnheiten einen Ruheplatz in einer Ecke meines Kopfes und Herzens zu geben. Es ist aber entscheidend, mit sich selbst im Einverständnis zu sein, was den Zeitpunkt und die Art dieses Abschiedes betrifft.
Und dazu braucht man, in der Tat, lediglich sich selbst.
Kategorie: Fühlen