Freitag, August 15, 2008

Mixtape auf CD 08/2008




(Fotografie Power Tube von http://flickr.com/people/maurymccown)

Music Is Power (19 Titel, 78:47 min)

Titelliste

01. "Children In Pieces" - Morrissey | All You Need Is Me | 2008 (4:01)
02. "Second Best Death" - Maybe Smith | Second Best Death | 2006 (3:09)
03. "Don't Get Yourself Involved" - Shout Out Louds | Tonight I Have To Leave It | 2007 (4:10)
04. "Reasons To Go" - Last Days | These Places Are Now Ruins | 2007 (4:35)
05. "Let Down" - Radiohead | OK Computer | 1997 (4:59)
06. "Verlass die Stadt" - Gustav | Verlass die Stadt | 2008 (4:23)
07. "Call It A Ritual" - Wolf Parade | At Mount Zoomer | 2008 (2:45)
08. "Souleymane" - Orchestra Baobab | Classic Titles | 2006 (4:27)
09. "Visions" - The Royal Family And The Poor | We Love The Moon | 2003 (4:27)
10. "Enraptured Serene Mesmerism" - XarkaneX | Enraptured Serene Mesmerism | 2008 (4:08)
11. "My Dark Star" - Suede | Sci-Fi Lullabies | 1997 (4:26)
12. "Deer" - Swod | Sekunden | 2007 (3:46)
13. "Beautiful Child" - Rufus Wainwright | Want One | 2003 (4:15)
14. "The Only One (Mix 13)" - The Cure | The Only One | 2008 (3:57)
15. "Lighthouse" - Interpol | Live At Teatro Caupolican, Santiago, Chile (06.03.2008) | 2008 (5:45)
16. "Music Is Power (Live At The BBC, 2006)" - Richard Ashcroft | Live At The BBC, 2006 | 2006 (4:53)
17. "Love Is Noise" - The Verve | Forth | 2008 (4:03)
18. "Saddan Ai Thar (Enchanting Lake Of The Elephant)" - Kyaw Kyaw Naing | Pat Waing: The Magic Drum Circle of Burma | 1998 (4:13)
19. "NaNa" - Wizo | Anderster | 2004 (2:26)


Aus dem Booklet:

Liebes musikinteressiertes Publikum,

mal ganz ehrlich, was wäre die Welt ohne die verdammt wahre Musik Morrisseys, die ernstzunehmenden Hinweise Shout Out Louds, die Indie-Musik der Wolf Parade, das Schöngeistige von Suede, den Pathos eines Rufus Wainwrights, die (erste?) Liebeserklärung von Robert Smith, die genialen Kompositionen von Ashcroft & Co, den sich anzunehmenden Lebensentwurf von Wizo und all die leider nicht so bekannten Künstler aus Burma, Griechenland und Mali? Alles läge ziemlich im Argen... Im August wie immer alles vom Besten. Vielen Dank auch für die ersten Fragebögen, die langsam eintrudelten & nun viel Vergnügen mit dem Mixtape für August 2008.

1.Der Mann singt Wahrheit und ich wüsste nicht, mit wessen Songs ich ein Mixtape auf CD noch eröffnen wollen würde. Morrissey ist immer so brandaktuell: in Children in Pieces besingt er prügelnde Banden Jugendlicher, denen ignorante Eltern, Polizisten, Sozialarbeiter und Richter gegenüberstehen. „They kicked the shit out of very frightened children/Get your hands off me kid/I find my sentimental heart/hardens.“

2.Mit Second Best Death geben Maybe Smith ihr Debut. Ein Song der zwischen Electro-Schnippseln und Country-esker Begleitung pendelt. Die Gruppe selbst stammt aus Canada (ist das eigentlich das Land mit der größten Dichte erfolgreicher Bands?) und besteht so richtig nur aus dem Indie Pop-Singer und Songwriter Colin Skrapek selbst.

3.Die Shout Out Louds sind eine so wunderbare Band. Ich bin noch immer nicht darüber hinweg, dass sie mit Sportfreunde Stiller auftreten mussten. Ich meine, hatte die Knallerbse bei der Booking-Agentur auch nur einmal ihr aktuelles Album gehört? Die hätten in einen kleinen Club gehört, doch aber nicht in die Arena voller Prolls... Hier nun garantiert das Proll-freie Don't Get Yourself Involved. „And this is/ what happened to a friend of mine“

4.Falls man doch irgendwie involviert wurde und besser verschwinden sollte, dann bieten Last Days die passende, ehm, Marschmusik an. Reasons To Go folgt einem ganz interessanten Ansatz: elektronische Musik, die mit möglichst vielen organischen Elementen gemischt wird. Klingt dann ungefähr so, als würde man ein Radio auf eine Wiese stellen, Wiedergabe drücken und das wiederum mit einem zweiten Recorder aufnehmen. Darf man eigentlich Kritik vermuten, wenn eine Band ihr Album mit dem Cover, welches eine wunderschöne Landschaft zeigt, These Places Are Ruins Now überschreibt? Dacht nur gerade so.

5.Ich vergaß in der Einleitung ganz die wohl traurigsten Popsongs überhaupt. Die haben wir Radiohead zu verdanken. Let Down ist einer davon. Zum im Dunkeln weinen, ganz schüchtern und sich dann freuen, dass man das überhaupt noch kann. Auch Traurigsein ist manchmal schön.

6.Gustav versucht genau das Gegenteil: Traurige Dinge in an sich schöne Musik zu verpacken. Ich bin beruhigt, dass sich der Hype um sie wieder gelegt hat (war ja nicht auszuhalten: Die Zeit, Intro, etc.). Verlass die Stadt dürfte unbestritten der Schlüsseltitel des aktuellen Albums sein und wie Recht sie hat, hört nur: „Ist nur ne Frage der Zeit/bis auch hier der nächste Stadtteil brennt/.../Mach die Augen zu/Und wünsch mich ins Zentrum der Leidenschaft zurück/ Die Seele brennt wie auch all der Orte Straßen/ Es ist Zeit diese Stadt zu verlassen“.

7.Call It A Ritual könnte ja fast der Song fürs Mixtape auf CD schlechthin sein. Ein schönes Ritual, Monat für Monat und Spencer Krug + Band haben auch beim letzten Album ganze Arbeit geleistet. Ein sperriges, anspruchsvolles Indie Rock-Album, das total ernsthaft rüberkommt. Bin wirklich beeindruckt.

8.Äußerst beeindruckt bin ich auch von Souleymane vom Orchestra Baobab aus Bamako, Mali. Das ist ein Titel, der mir wirklich die Sprache verschlagen hat, so vielseitig und immer auf der Kante zwischen richtigem Song und Quatschnummer. Dahinter steckt aber ordentlich Arbeit, klingt nämlich überhaupt nicht so, als kämen die Drums ausm Keyboard respektive Drum Computer. Waren also noch echte Musiker am Werk dafür. Ich würde, glaube ich, tatsächlich gern mal Afrika für ein halbes Jahr bereisen wollen. Kommt wer mit?

9.Es tut mir Leid, sicher gehe ich manchen schon auf die Nerven, aber es gibt Musik, die verdient einfach mehr gehört zu werden. Das ist der Fall bei The Royal Family And The Poor. Der Mann (Mike Keane) ist genial. Er schafft alles vom krass neuartigen EBM/Industrial-Song über okkulte Ritenmusik bis hin zu verträumten Nummern ala Cocteau Twins (wie der aktuelle Titel Visions). Wie so oft steckt auch hinter jener EBM/Düster-Schale ein zartfühlender, intelligenter, aufrichtiger Musiker. Es fällt mir total leicht zu sagen: RFATP sind über Nacht in die Reihe meiner Lieblingsbands aufgestiegen. Auch textlich kann ich gar nichts hinzufügen: „Strange as it may seem/ we will live our fantasy“

10.Wo ich doch gerade über düstere Sachen sprach, möchte ich noch eine griechische Band vorstellen, die sich im Bereich ganz dichter, mystischer Musik betätigt. Sie heißen XarkaneX und haben gerade ihr erstes Album festgestellt und offensichtlich eine Sängerin mit sehr, sehr guter Ausbildung. Vorstellen, wie man solche Musik in Griechenland aufführt, kann ich mir auch schon: Man installiert rote und gelbe Scheinwerfer und lässt die Band in einem alten Amphitheater spielen. Bestimmt ganz bewegend.

11.Suede sind auch wieder so eine Band die man viel zu selten hört. Egal worüber die Singen, immer sagen die wirklich etwas aus. Darüberhinaus wissen sie auch, wie man singt und spielt – angesichts der Schnuffel-Hitparadenhasen und der Ich-Bin-im-TV-also-bin-ich-Künstler-Eintagstalente eine echte Ausnahme. Fängt ruhig an und wird – wie so viele Suede-Songs – zu einem Juwel: My Dark Star.

12.Bei Last Days meinte ich vorhin, die würden versuche organische Elemente in ihre Titel zu mixen, bei Swod (übrigens aus Deutschland) ist das etwas anders. Die beschäftigen sich auch viel mit Organik aber machen das alles über elektronische Geräusche. Finde aber dennoch, dass Deer gar nicht so weit weg ist von Reasons To Go.

13.Verdammt, verdammt! Rufus ist einfach Mal der Gott. Neulich gab es eine kleine Privatparty in Berlin. Das Motto: Rettet den Planeten. Rufus zog die Sicherung der Wohnung heraus, Kühlschrank aus, Licht aus, Klingelanlage aus. Er ging ab und an runter um seine Gäste hereinzulassen. Konsequent, wie der junge Mann ist, ließ er nur die Gäste rein, die über Vorhandensein eines Fahrrades oder Nichtbesitz eines Autoschlüssels nachweisen konnten, dass sie per Rad oder zu Fuß angereist waren. Später am Abend gab er einige Titel zum Besten und bat bei Kerzenschein darum, jeder möge jetzt notieren, was er/sie künftig zum Schutze der Umwelt tun möchte und jene Notiz später an eine Pinnwand heften. Such a Beautiful Child, ja wohl!

14.Wo wir gerade bei Zuneigungsbezeugungen sind: The Only One ist auch eine solche. Das dürfte der expliziteste The Cure-Song in dieser Hinsicht sein, schätze ich. Genial, wie Smith alle Ebenen der Liebe abdeckt: I love what you to head [ganz emotional abstrakt], I love what you do to my lips[romantisch erotisch], I love what you do to my hips [gegenständlich sexuell]. Stammt vom neuen Album, das am 13. September erscheint.

15.Das Internet ist schon eine tolle Erfindung. Man kann beispielsweise einen Live-Mitschnitt des Interpol-Konzertes aus dem Teatro Caupolican finden. Ich bin richtiggehend geflasht: Das Konzert muss der Hammer in Punkto Leidenschaft und Intensität gewesen sein. Wie bedacht und dosiert die alles einsetzen, boah. Bei diesem Song kann man die Anlage ruhig mal richtig laut drehen. Das war sicher eine total schöne Show, mit lila Licht, Nebel und raumfüllenden Klängen und, ehm, niedlichen Latinos :D

16.Auch zum verzweifeln heiß: Richard Ashcroft. Der Mann hat eine Stimme, da möchte ich mich wieder schrittweise entkleiden. Himmel, dann sitzt der auf den Pressephotos auch noch mit großer Sonnenbrille und schönen gelockten dunklen Haaren lässig da. Zusätzlich ist der auch noch intelligent und war neulich erst in Glastonbury, wo er gleich mal Jay Z (irgend so ein Gangster-Rapper) zur Schnecke machte. Tja, Music Is Power.

17.Und nicht nur das: Music is love und Love Is Noise. So wahr! The Verve zurück mit neuem Album Ende Juli. The Verve haben mit diesem Song so Recht. Liebe sind Synapsen, die im Kopf durchknallen, ein Bauch, der sich immerzu verkrampft. Vielen Dank für die Musik zum wohl intensivsten Gefühl überhaupt.

18.Apropos intensiv: Einmal (intensive) Weltmusik habe ich noch. Neulich hörte ich einen Vortrag über Trommel-Orchester am burmesischen Königshof und das hier ist einer der berühmtesten Interpreten. Die Konzerte werden reichlich mit Maskentheater untermalt und gingen bis vor 20 Jahren durchaus mal über 5 Nächte. Mich fasziniert diese Musik wirklich sehr, sie ist so ganz anders als alles in Europa. Einzig die Übersetzung des Titels in Enchanting Lake Of The Elephant scheint mir ein Wenig, ach, naja, daneben gegriffen, denn es fällt mir schwer, sie ernst zunehmen.

19.Das ist der letzte: NaNa von Wizo. Punk im 21. Jahrhundert klingt immer noch wie Punk Anno 1970, which is no complaint. Im Gegenteil, mit dem, was sie singen, haben die Jungs von Wizo ja Recht. „Dann bin ich froh, dass ich nicht bin, wie all die anderen sind, denn deren Werte und Moral sind mir scheißegal.“

In diesem Sinne, erhaltet euch schön den für die kritische Betrachtung nötigen Abstand.
Grüße, Peter.