Sonntag, Juni 15, 2008
Mixtape auf CD 06/2008
Foreign Rendezvous (79:21, 19 Titel)
Titelliste
01. "Abgesang" - Gustav | Verlass die Stadt | 2008 | 3:57
02. "Music Now" - Frightened Rabbit | eMusic Sessions: Live At Urban Outfitters - SXSW 2007 | 2007 | 3:55
03. "Sound" - James | Seven | 1991 | 6:40
04. "Sicily" - Youth Group | Casino Twilight Dogs | 2006 | 2:10
05. "Foreign Rendezvous (Live)" - The Names | Spectators Of Life | 2001 | 4:27
06. "Juno" - Tokyo Police Club | Elephant Shell | 2008 | 2:14
07. "Til The End Of Time" - DeVotchKa | Little Miss Sunshine | 2006 | 3:57
08. "Cape Cod Kwassa Kwassa" - Vampire Weekend | Vampire Weekend | 2008 | 3:34
09. "Waalo" - Star Number One | Slow Music from Africa | 2007 | 5:50
10. "Lovers" - The Tears | Lovers | 2005 | 4:02
11. "My Time Outside The Womb" - Titus Andronicus | The Airing Of Grievances | 2008 | 2:54
12. "Gobbledigook" - Sigur Rós | Með Suð I Eyrum Við Spilum Endalaust | 2008 | 3:08
13. "Elton D'Août" - Malajube | Etienne D'Août | 2007 | 5:12
14. "Pretty In A Panic" - My Latest Novel | Wolves | 2006 | 4:19
15. "Es ist wieder Frühling" - Anajo | Hotelboy | 2008 | 2:54
16. "Every Little Counts" - New Order | Brotherhood | 1994 | 4:28
17. "Creeper" - Islands | Arm's Way | 2008 | 3:15
18. "Head On The Block" - The Mighty Lemon Drops | World Without End | 1988 | 3:38
19. "3 Seconds Of Dead Air" - The Twilight Sad | The Twilight Sad | 2006 | 8:47
Geneigtes musikinteressiertes Publikum,
herzlich willkommen bei einer neuen Ausgabe des Mixtape auf CD. Im Juni gibt es eine bunte Mischung aus kreativ verpackter Kritik am vorherrschenden Zeitgeist, ganz exquisite und auch bodenständige Rockmusik, etwas Punk findet sich und ein paar internationale Einsprenkler sind auch an Bord.
1. Den Auftakt machen wir mit Gustav. Enthusiastisches Kreischen bitte! Letzte Woche muss auch ein Redakteur bei der Zeit aufgeschreckt sein, jedenfalls fand sich in dem Blatt plötzlich ein Verweis auf Gustav. Im Grunde egal, ich und ihr alle wart eher: Wir kennen Gustav schon seit ihrem ersten Album von 2004. Gerne erkenne ich an, dass Gustav in dieser Zeit um Welten politischer, bissiger, allerdings musikalisch auch unbequemer geworden ist. Hier nun die kongeniale Eva Jantschitsch mit ihrem Abgesang. Recht hat'se, leider. Eine CD, die in keinem feministisch eingestellten Haushalt fehlen darf. Etwas (bissig-kritischen) Text gefällig? „Ich habe beschlossen/ich gehe konform/ich stelle mich richtig/und entspreche der Norm/ich wollte viel ändern/und die Jahre sie vergehn/und ich hab nichts bewirkt/und es blieb alles stehn“
2. Manchmal denke ich, Musiker schreiben ihre Titel explizit für mein Mixtape. Wie sonst soll man Music Now von Frightened Rabbit sonst erklären? Ich lege meine kulturwissenschaftliche Herangehensweise ab und wir genießen einfach ein Stück schottischer (genauer Selkirk) Musikszene auf Tour im imperialistischen Ausland (USA). Auf dem SXSW-Festival (woher auch diese Aufnahme stammt) stellte her und erklärte der Frontsänger die Beziehung zwischen Bob Dylan und einem Stück Fledermauskot. Das alles sehr einleuchtend, vielleicht auf dem nächsten Mixtape.
3. Da stellen sich mir wohlig die Nackenhaare auf. Der James-Virus ist echt gefährlich, hört man einen Song, will man irgendwie mal alle kennenlernen. Hier haben wir Sound vom charmanten Mann aus Manchester. Das dazugehörige Album Seven läuft bei mir rauf und runter. James rockt! Bleiben mir nur noch die Zeilen „Do everything you fear/In this there’s power/Fear is not to be afraid of/Laugh at the wonder of it all/Laugh so loud you break your fall.“
4. Jetzt kommt mal was Gefühlsschwangeres: Youth Groups Sicily ist repräsentativ für eine musikalisch in sich stimmige aber nicht besonders aufregende Platte. Dennoch, die Vorstellung ist sehr schön: „Babe, let's move to Sicily./Just you and me/and the Mediterranean Sea./I'd work on a scallop boat,/that would keep us afloat,/the sun would burn my throat./You'd lie beneath the shade
writing songs all day/give them to the summer haze“ und mal ehrlich, wann hatten wir zuletzt eine so schöne Textzeile: „writing songs all day/give them to the summer haze“, hm?
5. Foreign Rendezvous mag ich persönlich ja sehr gern. The Names aus Belgien klingen ein wenig wie The Cure, und letztlich funktioniert der Song auch nur über den Refrain. Also, geben wir uns den Besuchen und Besuchern außer Haus hin und schwelgen :-)
6. Meine hochgeschätzen Tokyo Police Club: Nach ihrem A Lesson In Crime dachte ich, es ginge nicht mehr höher hinaus und nun doch. Das Album Elephant Shell ist so toll, ein Rockalbum, das so richtig läuft und doch nicht zu hektisch ist. Der Frontsänger hat ne unglaublich erotische Stimme, finde ich toll. Ihr hoffentlich auch. Interpretationsansätze könnte hier vielleicht das geschätzte Publikum liefern, habe keine Ahnung was/wer hier besungen wird.
7. Die magische Titelnummer geht an einen magischen Song. Til The End Of Time ist der wohl rührigste DeVotchKa-Song überhaupt. Kostprobe: „And look at you and me still here together/There is no one knows you better/And we've come such a long long way/Let's put it off for one more day“. Der Song stammt übrigens vom Soundtrack zu Little Miss Sunshine, ein wirklich bezaubernder Film, muss man unbedingt mal gesehen haben.
8. Hinter diesem Lied versteckt sich eine Menge. Das Funktionsprinzip ist so, wie bei den Pulp-Songs, wenn sich jemand erinnert: leichtfüßige Musik, kritischer oder mindestens sozial reflektierender Text. Fangen wir also an: Cape Cod Kwassa Kwassa. Der Titel ist eine Referenz zu einem Badeort für Wohlbetuchte in Massachusetts, Kwassa Kwassa ist ein afrikanischer Tanzrhythmus, der von Peter Gabriel in den 1980er Jahren oft verwendet wurde (daher auch die Referenz). Jetzt ist es günstig zu wissen, dass Vampire Weekend aus einem eher linken College-Hintergrund kommen und Statussymbolen und Designermarken (Vuitton, Benetton etc.) eher ablehnend gegenüberstehen. Obgleich die Umgebung unserer implizierten Protagonisten sicherlich reizvoll wäre, dreht sich der Lebensinhalt um die ordentlich gemachten Betten und perfekt sitzende Sweater. Doch es lässt sich auch mit United colors of Benetton keine Erweiterung des eigenen geistigen Horizontes erkaufen und noch weniger Multikultur in der Einkaufsmeile erwerben. Alles, was bleibt, ist die Flucht in stupide Sexualität und ein unnatürliches Gefühl. Großartiges Lied, das ich gern mit euch teilen wollte.
9. Und da im vorigen Titel auch afrikanische Rhythmen anklangen, gibt es jetzt noch Weltmusik: Star Number Ones Waalo von dem wirklich schönen Mixtape betitelt Slow Music From Africa. Der Titel ist wie Lezamas Barock-Roman: Hier geht es um den Schmuck, hier geht es um die fein gezupfte Kora und das verheißungsvolle Knacken des Vinyls.
10. Suede sind zurück, heißen jetzt halt The Tears – ist mir alles recht, so lange Butler und Anderson wieder zusammen singen. Das Resultat kann sich sehr wohl hören lassen. Lovers, ein Song nicht nur für LiebhaberInnen: „Cause we are the lovers, we are the lovers/We're different colours but we stand up as one/“. Das wäre also die Vorstellung globalen Verständnisses zu Ende geträumt.
11. Dem Rock folgt der Punk auf dem Fuße. Titus Andronicus klingen ein wenig wie Conner Oberst als Leadsänger einer ziemlich coolen Rockband. Solcherlei Vergleiche taugen natürlich gar nicht viel, muss man einfach hören. Ein tolles, energetisches Album, welches eine Geschichte erzählt, nicht optimistisch aber hey, das Leben ist auch nur selten eine Frohnatur. „That's when I learned, in Glen Rock/everybody calls a spade a spade/I couldn't fool anyone/I couldn't even fool myself/I was just another book on the shelf/nothing else.“
12. Aus dem neuen Album von Sigur Rós habe ich noch den Titel Gobbledigook ausgesucht. Das neue Album trägt den verheißenden Titel: Með Suð I Eyrum Við Spilum Endalaust. Klingt unheimlich nach Animal Collective (not that this is a complaint...). Was singen unsere Isländer? Lalalalalalalalalala – endlich mal ein Text, der auch nach mehreren Bier bequem mitzusingen ist.
13. Bleiben wir doch gleich noch etwas im Norden, hier noch ein paar sehr schöne junge Männer aus Canada: Malajube mit dem Titel Elton D'Août. Ein Song von der EP und ich mag Franzosen einfach. Ich habe keinen Ahnung, was die hier singen aber es klingt schön nach Sommer. Lerne ich, wenn ich Arabisch kann. Übersetzungen/Lieddeutungen willkommen, wie immer an meine E-Mailadresse.
14. Da ich gerade eine Phase extremer Glasgow-Sucht durchlebe, hier noch eine Band aus dem Umfeld von The Twilight Sad. Sie heißen My Latest Novel und klingen für mich sehr nach Arcade Fire. Ganz wundervolle Kompositionen auf dem Album Wolves, neben dem vorgestellten Titel Pretty In Panic ist noch When We Are Wolves genial. Kann man sich durchaus kaufen, wenn die Neon Bible oder Funeral bereits textsicher mitgesungen wird.
15. Wo wir gerade von schön sprachen, musste ich an meine Lieblingsaugsburger denken: Anajo. Maaan, der Herr Gottwald kann Texte, die ultrakitschig sind, in wahre Perlen verwandeln. Dass Anajo eine der wenigen Deutsch-Pop-Bands sind, die auch noch deutsche Standardsprache fehlerfrei verwenden können, stellten wir ja bereits vor einem Jahr in diesem Medium fest. Schön, dass sich das gehalten hat und nun kann/soll der Sommer kommen.
16. Wie versprochen hier nun ein weiterer Titel von New Orders ersten drei Alben. Diesmal von Brotherhood. Der Song heißt Every Little Counts und was man sicher sagen kann, ist dass einzelne Textpassagen beim Singen plötzliche Lachanfälle provozieren. Was aber nicht von ungefähr kommt: „Every second counts/When I am with you/I think you are a pig/You should be in a zoo“.
17. Gegen Ende präsentiere ich nochmals etwas aus Canada. Diesmal die Islands mit ihrem wirklich genialen Song Creeper. Ich finde, das ist ein sehr atmosphärischer Titel, kreiert so eine Spannung, die schwer zu beschreiben ist, zumal ich auch noch nicht ganz sicher bin, in welche Richtung das Ganze textlich geht.
18. Als vorletzten Titel noch eine Nummer von vier, damals sicher sehr nett anzusehenden Jungs in Röhrenjeans und Lederjacken: The Mighty Lemon Drops aus den Midlands. Was zunächst klingen mag wie ein Bunnymen-Cover entwickelt durchaus eigene Dynamik. Head On The Block hat für mich auch noch eine Spur BRMC. Insgesamt eine schöner Song von einem noch viel stimmigeren Album. Aber das war eben Ende der 1980er, da gabs das Album als Konzept auch noch...
19. Der Rausschmeißer auf diesem Mixtape ist fabelhaft. Jetzt wäre der Moment um die Stereoanlage ganz laut zu drehen (so das denn noch geht), sich davor zu setzen und die Augen zu schließen. So, liebe Leute klingt großartige Rockmusik aus Glasgow, klingen The Twilight Sad. Und das, das darf man jetzt acht Minuten lang genießen. Aus musikalisch-ästhetischer Sicht ein absolutes Understatement, einen solchen Song, mit 3 Seconds Of Dead Air zu benennen. Euch weiterhin erhellende Momente und Erkenntnisgewinne. Bis zum nächsten Mixtape auf CD.
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