Donnerstag, Mai 15, 2008

Mixtape auf CD 05/2008




The Clockwise Witness (19 Titel, 80:53)

01. "Tumbling Down (Dead. Mono Version)" - Eskobar [Til We're Dead, 2000] 3:36
02. "Dark Leaves Form a Thread" - Destroyer [Trouble In Dreams, 2008] 3:36
03. "Babies" - Pulp [Intro. The Gift Recordings, 1993] 4:05
04. "Groupmegroup" - Liquid Liquid [Rough Trade Shops - Post Punk 01, 2003] 3:18
05. "Age of Consent" - New Order [Power, Corruption & Lies, 1986] 5:16
06. "Saman Me" - Yamoah's Band [Slow Music from Africa, 2007] 4:23
07. "I Worship The Sun (Album Version)" - Felt [Crumbling The Antiseptic Beauty/The Splendour Of Fear, 1986] 4:16
08. "Wedding Song" - The Psychedelic Furs [The Psychedelic Furs, 1980] 4:20
09. "Temptation" - Heaven 17 [Trainspotting #2, 1997] 3:05
10. "Disco Sheets" - Wolf Parade [Wolf Parade, 2005] 2:59
11. "Haystack" - Kevin Hewick & New Order [From Brussells With Love, 1980] 3:39
12. "étrange comme je taime" - DobaCaracol [Étrange comme je taime, 2007] 3:37
13. "Oxygen" - JJ72 [JJ72, 2000] 3:42
14. "Nightshift (Live)" - The Names [Spectators Of Life, 2001] 3:20
15. "Clarion" - Guillemots [Red, 2008] 4:04
16. "The Clockwise Witness" - DeVotchKa [A Mad & Faithful Telling, 2008] 4:37
17. "Booboo Man (Mama, Look at Bubu)" - Lord Melody [Calypso Awakening from the Emory Cook Collection, 2000] 4:22
18. "Running The World" - Jarvis Cocker [Jarvis, 2006] 4:47
19. "Light My Fire" - The Doors [30 Years Commemorative Edition, 2001] 9:42

Aus dem Booklet:

Liebes musikinteressiertes Publikum (jaaa!),

nach etwas mehr als einem Jahr Mixtape auf CD habe ich eine gender- und geschlechtspezifisch verhakelungsfreie Anredeformel gefunden, Yipeee! Ganz euphorisch gibt sich diesmal auch die Musikauswahl. Nachdem sich meine CDs, wie ich neulich erfuhr, auch als Weitergaben auf Kassette an Freunde großer Beliebtheit erfreuen, versuchen wir heute mal gutgelaunte aber keinesfalls oberflächliche Frühlingsmusik. Im beiliegenden Fragebogen, würde ich gern wissen, wie die Mixtapes auf CD bisher bei euch so ankamen. Vielen Dank fürs Ausfüllen an dieser Stelle.

1. Los geht es mit den charmanten Jungs von Eskobar. Ihr gewichtig betiteltes Album "Til We're Dead" bietet eine konsistente Auswahl mehr oder minder gefühlsbezogener Popsongs, unter denen mir Tumbling Down (Dead. Mono Version) als geeignet erschien, diese CD zu eröffnen. Kommen wir also erstmal runter.

2. Ans Runterkommen schein Dan Bejar aka Destroyer noch lange nicht zu denken, seine Diskographie umfasst mal eben 7 Alben in 8 Jahren. Das der Kanadier dabei alles andere als langweilig wird, zeigt Dark Leafs From A Thread; immer singt er kleine Juwelen von Geschichten, immer irgendwie seltsam aber doch verständlich zugleich. Und ich mag seine sehr markante Stimme und den poppigen Charakter der Songs, manchmal fast hymnisch.

3. Ich wünsche manchmal ich wäre älter, so knapp 10 Jahre vielleicht. Ich würde in der Zeit zurückreisen um Jarvis Cocker mit Pulp auftreten zu sehen und Songs, wie Babies, live mitzuerleben. Für den Moment bleibt mir nicht mehr als auf die soziokritischen Bezüge in Pulps Texten hinzuweisen; immer geht es in einer Weise um Kids aus den britischen Vorstädten, semibiographische Kindheitserinnerungen und dergleichen mehr untermalt mit überbordender Popmusik: "And she came round four/and she was with some kid called David/from the garage up the road."1

4. Gerade haben wir gesehen, wie Popmusik über kritische Texte Aufsehen erregt, hier jetzt der Umkehrfall: Aufsehen durch ungwöhnliche Musik. Liquid Liquid, eine post-punk-Formation aus New York, aktiv zwischen 1980 und '83 bringen eine fast schon weltmusikalisch anmutende Nummer mit dem etwas sperrigen Titel Groupmegroup. Zwischendrin viel Perkussion und ein Text, der mich persönlich an The Godz denken lässt, was letztlich nicht von ungefähr kommt, waren The Godz ja stilprägend für dieserlei Punkmusik2.

5. Gut, zurück nach Großbritannien: Nachdem sich mir über Nacht New Order erschlossen haben, bin ich selbsterklärter Riesenfan ihrer ersten 3 Alben. Häppchenweise gibt es jetzt ganz besonders gute Titel daraus in den kommenden Monaten. Diesmal habe ich Age Of Consent herausgesucht. Einerseits ein Lovesong ("And I'm not the kind that likes to tell you/ Just what I want to do/I'm not the kind that needs to tell you/Just what you want me to."3), andererseits auch die musikalische Umsetzung des Problems, einer durch Minderjährige angeregten Liebesbeziehung zu Erwachsenen: Wie sich verhalten, was tun, was nicht? "You're not the kind that needs to tell me/About the birds and the bees/Do you find this happens all the time/Crucial point one day becomes a crime."4

6. Schauen wir doch mal, was uns zu Westafrika so einfällt. Da hätten wir ein paar erdölproduzierende Länder, ja, gut, nicht übel, eine ganze Hand voll Megacitys, Urwälder, Elfenbeinküste, ungelöste politische Konflikte und Musik. Dass die Westafrikaner nicht nur Reggae oder/und Hip Hop können, sondern auch sehr interessante, bodenständige Folklore mit einem Hauch Popmusik machen, hat mir dieser Tage das Mixtape Slow Music From Africa bewiesen. Für alte und neue Freunde afrikanischer Musik hier nun Saman Me von Yamoah's Band.

7. Dass nun Felt mit I Worship The Sun folgt, trifft sich ja ganz gut, wo wir gerade musikalisch noch in sonnigen Gefilden weilten. Felt ist eine englische Band aus den 1980ern, heute zu Unrecht etwas vergessen, immerhin leben sie aber in den Songs von Belle & Sebastian beispielsweise weiter. Für mich klingen sie auch nach The Durutti Column und stimmlich denke ich gelegentlich an einen Jarvis Cocker. Das Werk liest sich witzig: 10 Jahre Bandgeschichte, 10 Singles, 10 Alben - ich wünschte, das würde man auch über mich sagen.

8. Die folgende Spitze kann ich mir nicht verkneifen: Dies ist mein Song für alle Heiratswilligen. Abgesehen davon, dass die Jungs von The Psychedelic Furs absolut super aussehen und auch wieder hocherotisch singen, hält Wedding Song noch sympathische Textstellen bereit: "make a line of useless women/make a line of useless men/love me love me love me love/again again again again/we're useless/we're useless/completely."5

9. Hochzeiten bedeuten ja auch immer etwas Kitsch und Kitsch, so habe ich neulich erst wieder behandelt, ist die unterste Stufe der Populärkultur und bedient über kapitalistische Verwertungsmechanismen unsere Emotionen, gehört somit hier direkt hinter die Hochzeit. Bei Heaven 17s Temptation frage ich mich oft, waren die 1990er wirklich so schrecklich? Damals klang das gar nicht SO furchtbar. Sei es drum, außergewöhnlich ist eine Bewertung, die in beide Richtungen der ästhetischen Skala funktioniert...

10. Auschließlich einseitig lassen sich die Werke aus der Feder Spencer Krugs bewerten und folglich bin ich ganz zappelig in Hinblick auf das neue Wolf Parade-Album im Mai. Für die Zwischenzeit habe ich uns Disco Sheets von der EP rausgesucht.
"everybody got their lid on tight/everybody says come with me/i'm easy and then we'll see/ who's got the secrets/so if you're looking for romancing/i've got answers /with dancers that will never say come with me"6 ergo: nimm mich, ich habe immerhin das Versprechen auf ne Romanze, alle anderen wollen dich nur flachlegen.

11. Wer nun Lust auf Romantik bekommen hat, dem kann mit New Orders Haystack geholfen werden. Man male sich aus, man selbst + PartnerIn werfen sich ins Heu und tun, was Verliebte halt tun. Dazu der gefühlsschwangere Singsang von Bienen, Vöglein und frischer Luft.

12. Und wo wir gerade bei so positiven Sachen sind, gibt es noch die buntkulturelle Mischung von DobaCaraco, die mal abwechselnd auf Portugiesisch, Spanisch, Englisch und Französisch singen. Eine Gruppe aus Kanada mit dem Zeug für den Sommerhit, die auf dem Cover mal eben nackt posiert, obgleich es sich nur um jugendfreie Rückenansichten handelt. Ist halt noch kein Hochsommer...

13. Im Hochsommer der Gefühle befindet sich meine emotionalste Gruppe schlechthin: JJ72. Ich liebe sie für ihre "weichen Knie". Kein Album in der letzten Zeit hat mich emotional so erfasst. Wenn Mark Greaney sich verausgabt, leide ich gleich mit und ich kann voll verstehen, dass man dann keinen Sauerstoff braucht, dann heißt das Oxygen nämlich Gefühl durch Musik. Herrlich und so authentisch.

14. Auch authentisch, weil live sind The Names. Als beglischer Factory-Emporkömmling der 1980er hat sich zeitlebens leider nie jemand so richtig für sie interessiert. Das kann nicht wieder gut gemacht werden, aber immerhin hat Nightshift locker das Zeug zum Ohrwurm. Vielleicht ist nächsten Monat Platz für ihr Foreign Rendezvous, gleichermaßen cool.

15. Über die Guillemots müsste ich Bücher schreiben. Ich will versuchen, kontrolliert von Clarion und ihrem neuen Album Red zu schwärmen. Also Clarion weil dieser Beat so subtil ist und weil Clarion eine geniale Synthese aus den ganz perkussionslastigen Titeln des neuen Albums und dem bewährten Stoff des alten ist. Darüberhinaus schätze ich die positive Musik und die manchmal endlos traurigen Texte. Vermutlich liegt diese Mischung am Einfluss Herrn Magrãos...

16. Bleiben wir doch gleich auf dem amerikanischen Kontinent; DeVotchKa aus den Vereinigten Staaten betreiben eine äußerst angenehme Mischung aus Balkanrythmen und anglophonen Texten. In The Clockwise Witness könnte es textlich um das Ende einer Liebesbeziehung gehen, aber letztlich weiß das nur der Künstler selbst. Lauschen wir also einfach diesem Song und machen uns individuelle einen Reim darauf. Ich liebe diesen Rhythmus hier.

17. Lord Melody habe ich echt ins Herz geschlossen. Völlig unvorbereitet kam eines Tages im letzten Jahr der Calypso zu mir, er suchte mich geradezu heim. Seitdem kann ich tun was ich will, meine Sammlung Calypso vergrößert sich ständig. Lord Melody ist einer DER Interpreten dieses oftmals so herrlich (selbst-)kritischen Genres. Booboo Man ist beinahe schon Kabarett, halt nur aus der schwarzen Kultur und umwerfend bissig. Was auch herrlich ist, ist wie das Publikum mitgeht und Lord Melody rumalbert. Calypso ist so herzlich, toll.

18. Auch von Herzen aber aus ganz anderer Ecke kommt der vorletzte Song. Jarvis Cocker präsentiert uns in Running The World noch ein Mal die Wahrheit auf dem Silbertablett:
"If you thought things had changed /Friend, you'd better think again /Bluntly put, in the fewest of words:/Cunts are still running the world."7 besonders wahr ist auch: "The free market is perfectly natural/Do you think that I'm some kind of dummy?/It's the ideal way to order the world."8 Dem bleibt nichts hinzuzufügen außer:

19. "Try now we can only loose and end up a funeral pyre" In diesem Sinne möge sich mit The Doors' Light My Fire (auf standesgemäße 9:42min psychedelische Perfomance ausgedehnt) auch euer Feuer irgendwo, irgendwie und irgendwann in erhellenden Momenten entzünden. Beste Grüße hinterlässt Peter.
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1 Und sie kam gegen vier/und war zusammen mit einem Kid genannt David/von der Garage gleich die Straße rauf.
2 Vergleiche die Ausgabe Punk On New York's Lower East Side.
3 Und Ich bin nicht derjenige der dir sagen möchte/was ich gern tun würde/Ich bin nicht derjenige, der dir sagen muss/was du mich verlangst zu tun.
4 Du bist nicht der/diejenige, der/die mir über/die Vögel und Bienen reden muss/Du denkst, dass passiert die ganze Zeit/Der entscheidende Punkt: eines Tages wird es eine Straftat.
5 stellt eine Schlange von nutzlosen Frauen auf/stellt eine Schlange von nutzlosen Männern auf/lieb mich lieb mich lieb mich/wieder wieder wieder wieder/wir sind nutzlos/wir sind nutzlos/gänzlich.
6 Alle halten sich bedeckt/jeder sagt komm mit mir/ich bin einfach und wir werden sehen/wer die Geheimnisse hat/wenn du also nach einer Romanze suchst/habe ich die Antworten/mit Tänzern die niemals komm mit mir sagen werden.
7 Wenn du dachtest, die Dinge hätten sich geändert/Freund, dann denkst du lieber noch einmal/brüsk gesagt, in den wenigsten Worten:/Schlampen regieren noch immer die Welt.
8 Der freie Markt ist ganz normal/Glaubst Du Ich bin so etwas wie ein Dummkopf?/Es ist die ideale Weise die Welt zu befehligen.